Alison Wonderland
Atem. Sie sieht immer noch genauso jung aus wie damals, als sie geheiratet haben. Das einzige Mal, dass er sie hat weinen sehen, war auf ihrer Hochzeitsreise vor neun Jahren, als sie sah, dass er Rosenblätter in ihr Bett gelegt hatte. Sie sammelte jedes einzelne Blütenblatt ein, als hätte er sie aus Versehen ausgeschüttet und legte sie in eine Schale an der Bettseite.
Flower war auf einer Jungenschule. Blondhaarig und hellhäutig wie er war, gab er in seinem letzten Jahr eine gute Ophelia im Schultheaterstück ab. Manche der Mütter weinten bei seiner Darbietung.Wahrscheinlich hilft ihm die Fähigkeit mit Frauencharakteren mitzufühlen, die er in seinen frühen Jahren beim Schaulspieltraining erworben hat, jetzt, sich um Lilian zu kümmern.
Jeden Abend kämmt und glättet er ihr Haar, bis es glänzt wie ein poliertes Armeewerkzeug und jede Strähne genau neben der nächsten liegt. In der Nacht verwuschelt sie ihr Haar, wenn sie ihren Kopf beim Träumen auf dem Kissen hin und her bewegt und am nächsten Tag rennt sie im Haus herum wie eine Vogelscheuche bis er nachhause kommt und sich wieder um sie kümmert.
Kapitel 32 – Phoebes Zeremonie
Wir besuchen Tarons Mutter in Kent. Sie ist die einzige Person, die wir kennen, die schon mal ein Baby hatte und der wir das Geheimnis um Phoebes Herkunft anvertrauen können.
Ich habe uns für die Fahrt nach Kent einen Vorrat an Süßigkeiten angelegt, die uns an unsere Jugend erinnern werden, aber meine Fundgrube erzielt nur gemischte Erfolge. Taron ist entzückt von den Giant Love Hearts, diese Brausebonbons in Pastellfarben, auf denen Sachen stehen wie »Kiss me« oder »Lover Boy«. Enttäuscht ist sie leider von den Giant Parma Violets. Ich liebe diese lila Süßigkeiten mit ihrem feinen, künstlichen Geschmack nach billigem Parfum. Es stellt sich heraus, dass Taron aufgrund eines Missverständnisses zwischen uns dachte, ich würde ihr ein Giant Karma Violet aus der Packung in meiner Hand geben. Der Geschmack der Bonbons kann einen für einen flüchtigen Moment zurück in die Siebziger transportieren, aber sie können nicht dein Schicksal beeinflussen, daher ihre Enttäuschung.
Ich bin nicht im Geringsten überrascht, dass Tarons Mutter in einer komfortablen Doppelhaushälfte wohnt und nicht in einem Leuchtturm, wie Taron es beschrieben hatte, als sie mir das erste Mal von ihr erzählte. Als sie uns hereinlässt, rieche ich den warmen Duft von Milchkaffee in ihrem Atem. Sie schaltet den Fernseher aus und setzt sich mit untergeschlagenen Beinen aufs Sofa,während sie unserer Geschichte zuhört. Taron will, dass sie Phoebe einen Namen gibt oder sie mit irgendeiner Hexenzeremonie in der Welt willkommen heißt. Sie macht ein Feuer im Kamin an. »Warmer Herd, warmes Herz«, sagt sie zu mir. Wir ziehen Phoebe bis auf ihr Hemdchen und ihre Windel aus und legen sie auf eine Decke auf den Boden. Tarons Mutter verstreut Blütenblätter um sie herum, während Phoebe gluckst. Lose verknotet sie eine klingelnde Silberglocke um jedes ihrer Gelenke.
»Lass die Glocken ertönen mit deiner Seele, Phoebe
Kind der Welt
Kind des Meeres
Blütenblätter mögen dir die Schönheit der Blumen bringen
Federn mögen dir die Freiheit der Vögel bringen
Glöckchen mögen dir die Magie von mir bringen«,
sagt sie.
»Du arbeitest mit Ella Fitzgerald, richtig?«, fragt sie mich, als wir gerade wieder gehen wollen. Ich warte auf einen billigen Witz – ich habe schon einige gehört, seit ich angefangen habe, in der Agentur zu arbeiten. Stattdessen bekomme ich einen Schock. »Ich kenne ihren Bruder, Clive. Sei sehr vorsichtig mit ihm. Er ist ein gefährlicher Mann. Er ist ein enttäuschter Mann. Er hat keine Hoffnung und das macht ihn so gefährlich.«
»Oh, der? Taron und ich sagen immer, er ist so seltsam, dass man seinen Schatten sehen kann, als könnte er sich unabhängig von ihm bewegen. Woher kennen Sie ihn?«
»Ich bin auf ihn gestoßen, als ich versucht habe, mit der Geisterwelt in Kontakt zu treten. Er wollte die Kraft für seine eigenen Interessen nutzen. Gewöhnlich versucht er, die Geister für billige Kartentricks zu benutzen. Er ist ein Verräter, er ist böse. Ich will nichts mit ihm zu tun haben. Ich rate dir, dasselbe zu tun.«
Kapitel 33 – Kreuzass
Mrs. Fitzgerald sitzt allein in ihrem Büro, die Hände über ihren Augen, um die Tränen zu stoppen. Sie sieht aus wie die symbolische Verkörperung von jemandem, der nichts Böses sieht. Es ist zu spät. Mrs. Fitzgerald
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