Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
Brot.“
„Ja, hoffen wir, dass der Hunger sie nach Hause treibt. Ich kann schon nicht mehr schlafen, weil ich ständig über meine Fehler nachdenke.“
„Beruhige dich, Bertrand! Carcassonnes Mauern halten stand! Hat nicht Kaiser Karl die Stadt sieben Jahre lang vergeblich belagert? Der einzige Fehler, den wir beide begangen haben, war der, dass wir Raymond-Roger katharisches Gedankengut mit auf seinen Weg gegeben haben und zugleich den Rat, katholisch zu bleiben. Seitdem sitzt er zwischen zwei Stühlen.“
„Wie bei seinen Frauen! Zwanzigtausend Biterrois könnten noch leben, hätte unser Raymond sich rechtzeitig auf den katholischen Stuhl gesetzt.“ Saïssac seufzte. „ Ich muss mir all die Toten anlasten, ich. Sie sagen, dass das Heer innerhalb von drei Stunden die Stadt erobert hat. Nur drei Stunden!“
„Schlaf jetzt, du brauchst deine Kräfte für den nächsten Tag. Es kommt, wie es kommen muss.“
Am Samstagmorgen schlug die Wache auf dem Pinto Alarm. Staubwolken über dem Pech-Mary-Hügel! Angespannt wie selten zuvor in ihrem Leben, beobachteten der Trencavel, seine Barone und Ritter, wie das Heer von Süden anrückte und sich unterhalb der Stadt auf eine Stellung im Nordosten zubewegte, wo sich die am wenigsten befestigte Vorstadt Bourg befand.
„Hört mir gut zu“, zischte Raymond-Roger mit verbissenem Gesicht. „Niemand soll mich einen Feigling nennen. Das Heer ist erschöpft vom Marsch und der Hitze, es hat sich noch nicht eingerichtet. Wir machen einen Ausfall. Vierhundert Mann auf schnellen Pferden sollen sich auf sie werfen. Ehe die Nacht sinkt, können wir sie drüben auf den Hängen zerschlagen.“
Doch dieses Mal ließen ihn die Getreuen mit seinem Vorschlag allein. Sie beschworen ihn, abzuwarten, erinnerten ihn daran, dass Béziers gerade eines Ausfalls wegen gefallen war, bauten mehr auf eine List, als auf einen Überraschungsangriff.
„Ich flehe dich an, Raymond“, drängte ihn vor allem Peter von Cabaret, „keine kühnen Aufreizungen, kein unüberlegter Angriff! Die Franzosen sollen sich vielmehr in Sicherheit wähnen. Um die Vorstadt sorge ich mich nicht. Sie ist durch ein eigenes Bollwerk gut geschützt. Ich schlage folgendes vor: In der Nacht zum Montag, wenn drüben alles schläft, schicken wir unsere Milizionäre durch die unterirdischen Gänge und greifen den Feind im eigenen Lager an!“
Nur widerstrebend stimmte der Trencavel zu.
Während sich die Franzosen in aller Ruhe einrichteten, verkroch sich Carcassonne unter seinen Mantel aus dicken Mauern. Unmöglich, Schlaf zu finden. Nicht nur die schwüle Hitze, auch die Angst zehrte an den Nerven der Eingeschlossenen. Würde es Namenslisten geben wie in Béziers? Auszuliefernde Ritter, Edelleute, Vögte? Betuchte Kaufleute, Handwerker? Wählte man auch nur die Hälfte derer aus, die regelmäßig das katharische Servitium besuchten, wartete reiche Beute auf die Kreuzfahrer. Schon gab es welche, die das hochherzige Angebot des Trencavels, ihnen Schutz zu gewähren, hinterfragten. Saßen sie am Ende allesamt in der Falle wie die guten Nachbarn und Freunde in Béziers?
War es die Ruhe vor dem Sturm, dass auch der Sonntag unter drückender Hitze verging, ohne dass sich im Lager des Kreuzfahrerheeres etwas tat?
Irgendwann hielt es der Trencavel nicht länger aus. Er ließ sich bei Alix melden, wollte noch einmal Wort für Wort von ihr hören, was sie in Béziers erlebt hatte. Es ginge ihm um ihre Begegnung mit Arnaud Amaury, dem geistlichen Führer des Zugs, und um ihren Eindruck vom Grafen von Montfort, sowie von den Fußtruppen, den Ribaldis . Jede Einzelheit sei wichtig, schärfte er ihr ein. „Ich muss wissen, gegen wen ich kämpfe, Alix!“
Sie sah seine tiefe Verzweiflung, und er tat ihr unendlich leid. „Gott weiß es“, sagte sie. „Du bist im Recht - und sie sind im Unrecht!“
„Gott hat schon uns beide hart gestraft“, antwortete er verbittert. Später fragte er sie, ob er die Stunden bis zum Angriff bei ihr verbringen dürfe, es könnte seine letzte Nacht sein. „Die Angst schnürt mir die Kehle zu, doch hier bei dir bin ich stark, Geliebte!“
Doch Alix schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht dein Weib, Raymond. Ich kann nicht und ich will nicht“, sagte sie leise, aber bestimmt. Sie begleitete ihn zur Tür. Dort nahm er sie noch einmal in seine Arme, strich über ihr Haar, während Alix ihr tränennasses Gesicht an seiner Schulter verbarg, damit er nicht sah, wie tief sie errötet war. Es war die
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