Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
nicht beiseite genommen und offen mit Euch gesprochen? Hat er geahnt, was nach seinem Tod geschehen würde?“
„Die Mitte ...“
„Die Mitte? Was meint Ihr damit?“
„ Das Glück liegt in der Mitte! Diesen eindringlichen Rat gab mir Vater, als er mir die Kette umhängte, genau eine Woche vor seinem Tod. Allerdings hat es lange gedauert, bis ich merkte, dass sich der Anhänger in der Mitte teilen ließ. Und ob ich je den Stern entdeckt hätte, das bezweifle ich. Schließlich trug Damian die eine Hälfte des Anhängers.“
„ Das Glück liegt in der Mitte! In der Mitte des Rades liegt der Stern ...“
„Und in der Mitte des Sterns eine Kugel! Sie entsteht durch zwei halbe Edelsteine, jedoch erst, wenn man die Anhänger so zusammenfügt, wie es mir Rashid gezeigt hat. Demnach liegt das ´Glück` in der Kugel? Aber in welcher Kugel?“
„Rad, Stern, Kugel ... wahrhaftig, ein Rätsel! Doch Ihr könntet Euch auch fragen, was in der Mitte des Buches der Apokalypse liegt!“
Alix stieß einen kleinen Schrei aus. „Die Mitte des ...? Mein Gott, Villaine! Wie kommt Ihr darauf?“
„Nun, Ihr habt mir erzählt, dass Euer Sohn noch zwei weitere Prüfungen absolvieren muss. Ich an Eurer Stelle, würde das Buch der Offenbarung genau studieren und ihn daran teilhaben lassen!“
Alix stand auf und lief vor ihm langsam auf und ab. „Danke, das will ich machen“, sagte sie wie geistesabwesend. Dann, nach einer Weile, blieb sie stehen: „Wisst Ihr, woran ich gerade denken muss, Villaine?“
Er sah zu ihr hoch. Einige Glühwürmchen tanzten um ihren Kopf herum, schmückten ihr Haar mit winzigen Sternen. „Sagt es mir!“
„Dass Bartomeu das Pergament, das ich in Cahors heimlich las, für mich abfasste, dass er es absichtlich in die Heilige Schrift steckte, damit ich es lese und ... Inés einen Brief schreibe.“
„... um Euren Schriftwechsel abzufangen und Euer Wissen über Salomon und die drei Tore zu prüfen? Ich traue es ihm zu. Übrigens auch, dass er mit Euch nur deshalb ...“ Villaine sah betreten zu Boden.
„ ... ein Kind zeugte, um mit seiner Hilfe an die Schätze zu kommen?“ Alix stieß hörbar die Luft aus. „´Der Junge wird anders sein, weil du anders bist`, hat er zu mir gesagt, bevor er mich mit Gewalt auf sein Lager zog. ´Er wird klug sein ...`.“
„Es muss ein gewaltiges Geheimnis hinter diesen Toren stecken, Alix. Und die Gefahr ist noch nicht gebannt. Ihr müsst jetzt auf jenen Mann achtgeben, vor dem Euch der Maure warnte.“
„Bischof Fulco?“ Sie setzte sich wieder.
Villaine nickte. Die Pferde schnaubten leise.
„Noch größere Sorge bereitet mir, was auf Carcassonne, den Trencavel und uns alle zukommt, Villaine. ´Was Ihr im Leben nicht zu Ende bringt, Alix von Rocaberti`, hat mir Esclarmonde bei meiner Abreise prophezeit, ´das wird Euch wiederbegegnen.` Doch sagt mir, Villaine, wie soll eine Sache zu Ende gebracht werden, wenn das Schicksal so veränderlich ist wie der Mond dort oben?“
Villaine begann mit einem Fuß zu wippen. „Darauf weiß ich auch keine kluge Antwort“, sagte er leise. „Eines vielleicht: Unterwerft Euch nicht dem Schicksal. Folgt Eurem Herzen und schafft Euch vor allem rechtzeitig ein Zuhause, wo Ihr und Euer Sohn zur Ruhe kommt.“
„Ein Zuhause? Und wo sollte das sein? Ich lebe in geborgten Gewändern, versteht Ihr? Ich trage den Namen Rocaberti, ohne den Mann zu kennen, der ihn mir gab. Ich lebe in Carcassonne, ohne dass es meine Stadt ist. Und nach Pamiers kehre ich ohne … Esther nicht zurück. Sie fehlt mir unendlich.“
Da fasste sich Villaine ein Herz. Liebevoll legte er den Arm um ihre Schulter. „ Douce , du hast ein Zuhause, du weißt es nur nicht.“
Alix hielt den Atem an. Wie hatte er sie gerade genannt? Douce? Süße?
Sie getraute sich nicht, ihn anzusehen oder auch nur ein Wort zu sagen. Wie festgewachsen saß sie da. Endlich wandte sie den Kopf und sah Villaine offen ins Gesicht. Kam es ihr nur so vor, als ob in seinen Augen der gewohnte Spott fehlte?
Der Spielmann nickte langsam. „ Dérouca “, sagte er. „Ich biete dir Dérouca an, mein Lehen - und mein Herz.“
25.
Inés von Carcassonne wurde durch ein Geräusch wach. Hatte sie Stimmen gehört? Pferdewiehern? Mit pochendem Herzen setzte sie sich auf, tastete nach Raymond-Roger ... Sein Platz war leer. Wieder einmal hatte er mitten in der Nacht ihr Gemach verlassen. Wohin war er gegangen? War einer der vermissten Kundschafter eingetroffen? Ließ ihn die Sorge
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