Alix ... : Historischer Roman (German Edition)
den Finger.
Alix, die glaubte, etwas gehört zu haben, stand auf. „Kommt ein paar Schritte mit mir, ich möchte nicht, dass die Brüder uns hören!“
Sie schlenderten zu den Tannen hinüber, wo die Pferde grasten, gaben den Tieren das restliche Brot, und setzten sich auf einen großen Baumstumpf.
„Ich vermute, alles fing mit meinem Urgroßvater oder Großvater an, die beide im Heiligen Land gekämpft haben.“
„Und seitdem ist diese Geschichte ein Familiengeheimnis derer von Montpellier?“
Alix nickte. „In das offenbar einzig die Äbte von Saint-Polycarpe eingeweiht sind - hinter das aber irgendwann Bartomeu von Cahors kam.“
„Verzeiht meine freimütige Rede, Alix, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Euer Vater und er tatsächlich Freunde waren.“
„Nun, der Erzbischof war eine Zeitlang wohl eher ... mit meiner Mutter befreundet“, sagte Alix verlegen. „Er hat ihr eine wertvolle Perle abgeluchst, und noch mehr. Doch war er kein gewöhnlicher Dieb, er gab mir die Perle zurück, als er merkte, dass sie in dem Rätsel keine Rolle spielte. Ich erinnere mich übrigens genau, dass er kurz nach dem Tod meines Vaters unseren kleinen Bertrand mitnahm, um ihn in einem Kloster vorzustellen. Es dauerte keine zwei Wochen, da brachte er ihn wieder zurück.“
„Vermutlich, weil der Junge die Prüfung nicht bestand, oder weil das Rad fehlte, das damals bereits in Eurem Besitz war. Es bedarf also dreier Dinge. Erstens: Der Proband muss männlich und aus Eurer Familie sein. Zweitens: Das Schicksalsrad muss dem Abt vorgelegt werden.“
„Nicht allein das Rad, Villaine. Der Stern im Rad! Der Davidstern. Ich bezweifle, dass mir der Abt ohne Hinweis auf den Stern mein Kind überlassen hätte.“
„Nun gut. Dann als Drittes die Prüfung. Was hat Euch Euer Sohn darüber erzählt? Haben sie ihn die Heilige Schrift rückwärts aufsagen lassen?“
„Nein“, sagte Alix ernst. „Stellt Euch vor, er hat einen Balken bemalt, in der Wohnung des Abtes.“
Villaine riss den Kopf herum. „Wie bitte? Einen Balken?“
„Ja. Das war seine Aufgabe. Sie haben ein Gerüst aufgebaut, den Jungen dort hinaufgehoben, ihm Farben und Pinsel in die Hand gedrückt und gesagt: „Geh in dich, bete, und male dann auf das Holz das, was dir in den Sinn kommt. Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst, doch wenn du fertig bist, nimm die kleine Glocke und läute.“
„Und das hat er gemacht?“
„Ja. Dann kamen die Mönche wieder herein. Der Abt stieg hoch, um den Balken zu begutachten. Damian hatte ein Tier gezeichnet, das - so hat er es mir beschrieben - einem Panther glich, die Füße Bärentatzen und der Kopf wie ein Löwe. Ich kann mir nicht helfen, aber diese Beschreibung kommt mir bekannt vor.“
Villaine merkte auf. „Pelfort!“, rief er und erklärte Alix, dass ihm der Katharer die Höhle Pech Merle beschrieben hätte, in der es angeblich Wesen wie aus der Apokalypse gebe. „Wörtlich hat er gesagt: ´Und das Tier, das ich sah, war gleich einem Panther und seine Füße wie Bärenfüße und sein Rachen wie eines Löwen Rachen`.“
Jetzt sah Alix Villaine an, als ob sie einen Geist vor sich hätte. „Ich fasse es nicht! Ihr dürft mich jetzt gerne eine Törin schelten, dass ich da nicht selbst darauf gekommen bin.“ Sie schüttelte den Kopf. „Die Apokalypse ist offenbar der Schlüssel zum Geheimnis. Deshalb war mir das alles so vertraut.“
„Meint Ihr wirklich?“
„Nun, Apokalypsis bedeutet, den Schleier lüften!“
„Aber wie konnte Euer Sohn vom Panther wissen? Habt Ihr ihm aus dem Buch vorgelesen?“
„Nein, gewiss nicht, es sei denn Pater Hugo hat es getan, doch das hätte mir Esther gesagt. Aber der Junge hat mir erzählt, dass ihn Rashid vieles gelehrt hätte.“
„Ein Maure? Nun, kann sein. Doch wieso ausgerechnet die Apokalypse?“
„Das kann ich Euch erklären. Als mein Vater krank wurde, saß Bartomeu jeden Tag an seinem Bett. Er wartete wohl darauf, etwas Bestimmtes von ihm zu erfahren. Doch als es ans Sterben ging, ließ sich Vater von mir die Apokalypse vorlesen. Fortan war dieses Buch Bartomeus letzter Strohhalm, an den er sich klammerte. Ich erinnere mich nämlich an einen Abend in Cahors ...“ Alix seufzte tief.
„Ja?“
„Da fragte er mich wiederholt über Vaters letzte Worte aus und zum Schluss musste ich ihm die die halbe Nacht aus der Apokalypse vorlesen. Er hat auf jedes Wort, jede Regung von mir geachtet, während ich las.“
„Hm ... aber weshalb hat Euch Euer Vater
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