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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
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niemand saß.
    Katharina.
    Den Namen hatten die Engel ersonnen, und der Teufel buchstabierte ihn.
    „Sie konnte gar nicht anders heißen“, befand Pjotr. „Aber ihr wirklicher Name ist tief in den Geheimnissen ihrer Magie verborgen… es wird Äonen in Anspruch nehmen, das zu verstehen. Ich sage dir, mit dem ersten Blick im Korridor wußte sie, daß ich ein Agent der anderen Seite bin, und du warst als Auftraggeber entlarvt. Unser Dilettantismus muß sie sehr belustigt haben. Wie die Strohtölpel.“
    Nie mehr schlafen. IHRE Augen verfolgten Aljoscha, er hörte IHRE Stimme seinen Namen wispern, er sah schwarzen Chiffon um IHRESchultern, er sah ein kurzes mörderisches Zucken IHRER Mundwinkel. Liquide Substanz sprühte im Mittelpunkt einer genau kontrollierten Bewegung.
    Was hatte er getan? Was konnte er jetzt noch zu seiner Verteidigung sagen? Daß es die Stimmen waren, Euer Ehren, die Stimmen… ? Die Zeichen standen auf das Stehen von Zeichen, Euer Ehren!
    Oh ja natürlich, man ist stets verantwortlich für seine Taten, für die besten wie die schlimmsten, und hätte man ihm jede Träne, die er schon verursacht hatte, mit einem Peitschenhieb vergolten, er wäre längst zerfetzt. Aber niemand ist Akteur im Niemandsland. Die innere Struktur jeder Aktion weist Spuren auf von Reaktion. Das Unverständliche des Tuns beginnt, wenn nicht mehr deutlich ist, worauf eine Aktion die Reaktion sein könnte. Ist diese Kette erst einmal zerrissen, kann aus dem kleinsten Geheimnis mir nichts, dir nichts tiefe Entfremdung werden – bis zur völligen Verrätselung eines Menschen, der sich längst die Frage gestellt hat: was nennt sich eigentlich gemeinsamer Nenner?
    Aber die obskure Komponente kam ja aus einer anderen Richtung. Jede Tat schafft Fakten, aber nicht alle Fakten brauchen Taten. Alles Tun ist Umwandeln und Umhandeln von Fakten, aber es herrscht Faktenüberschuß gegenüber allem Tun. Zum Beispiel kann es sehr wohl ein Fakt sein, der vor jeglichem Handeln schon besteht, daß zwei Menschen auf einzigartige Weise zusammenstimmen; und dieser Fakt hätte Bestand, auch wenn sich diese beiden Menschen nie begegnen. Womöglich entwickeln solch vakante Fakten unter bestimmten Umständen aber eine treibende Kraft? Vielleicht verdichten sie sich zu einer Unausweichlichkeit, die den freien Willen magnetisch anzieht? Warum nicht? Oder, daß der freie Wille wie ein Magnet auf gewisse Unausweichlichkeiten wirkt?
    Kann man das Unausweichliche heraufbeschwören ? Wäre das kein Paradox? Aber gleichwie, am Ende war es ja nicht das… sondern, daß er der Bestimmung nicht entgehen wollte. Wie hatte Leda gesagt: Daß du überhaupt bereit warst, all das zu sehen…
    Vielleicht half nur noch, daß man sich zu geballter Ignoranz und Vagheit zwang und auf diese Weise Vagheit würde ; daß man mittels Verdichtung der eigenen Indifferenz sozusagen eine Verringerung des Ich-Volumens erreichte, um so die Anziehungskraft des Unausweichlichen zu neutralisieren und die Kollision mit der Bestimmung im letzten Augenblick zu verhindern. Ganz einfach. Man zöge still wie ein Planet an seiner Bestimmung vorbei.
    Katharós, las Aljoscha, ist das griechische Wort für „rein“. Katharina heißt die Reine oder auch die Reinigende. Die heilige Katharina von Alexandria war die Schutzpatronin der Philosophen. „Na so ein Zufall“, sagte er laut, zum Hohn des Zufalls. Und dann las er, daß der Tag der anderen heiligen Katharina, der Katharina von Siena, der 29. April war. Der Tag, an dem er der Katzenmenschenfrau begegnet war. Damit waren die Berechnungen zur Verringerung des Ich-Volumens beendet.

30
    Klarheit und Behutsamkeit. Wie grelles Licht für die Augen war das Wissen für Aljoschas Herz, daß nicht beides zugleich möglich war. Behutsamkeit ließ Klarheit sterben, Klarheit war das Ende der Behutsamkeit. Was er auch wählte, es würde Leda halb zu Tode martern. Es gab nur noch Varianten in der Vorgehensweise eines Folterknechts.
    OH
    Es beschämte ihn, wie Leda ihr Herz in die Waagschale warf; sich selbst verleugnend, schuf sie sich neu für ihn, angefüllt von ihm, zugleich ausgezehrt von ihm, sie blühte wie eine Blume ohne Sonne, ohne Wasser. Ledas Zärtlichkeiten würgten ihn, ihre Geduld erstickte ihn, ihre Hoffnung vermählte sich mit einem Leichnam. Sie träumte, wieder mit ihm zu verreisen, noch einmal nach Florenz, nach Paris, an einen Ort, an dem noch ungeschehen war, was den Lauf der Zeit vergiftete, sie wünschte hilflos wie ein banges

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