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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
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und das Waldweib Baba-Yaga besuchen können.
    Sie hatten das Ende der Treppe erreicht.
    „Ich wollte sagen“, begann Aljoscha, „das heißt, ich wollte Ihnen sagen…“ – war er der Mann mit der Pistole, der plötzlich im Cockpit steht und eine Richtungsänderung verlangt, oder war er der Pilot?
    „… daß ich Sie vermissen werde.“ – Er war die Pistole.
    Wenn es wirklich Überraschung war, dann hatte sie für den zehnten Teil vom zehnten Teil einer Sekunde IHR Antlitz gewonnen. Und weil der Überraschung das gelungen war, lebte sie fortan selig und zufrieden daheim in Überraschungsland.
    „Weil die Semesterferien beginnen?“ fragte SIE.
    „Ja.“
    „Aber warum haben Sie mir das nicht schon früher gesagt? Wir waren doch schon im Sommer…“ – SIE sprach nicht weiter. Überraschung warf die Pfeife in den Kamin, brauste los und fuhr in Aljoschas Blick. Schon im Sommer waren wir.
    „Bei Rembrandt“, ergänzte er.
    „Ja!“
    „Damals hätte ich nichts sagen können. Bei Rembrandt, das war – ein Spiel.“
    Die Katzenmenschenfürstin nickte. Der Glanz in IHREN Augen!
    „Aber seit einiger Zeit ist es kein Spiel mehr.“
    „Was ist es dann?“ fragte SIE. War dieser Glanz nur wirklich, was er schien: die aufflammende Hoffnung einer Verstandenen…
    „Wie soll ich das beginnen… Sie ahnen nichts davon, aber Sie haben mein ganzes Leben restlos in Unordnung gebracht.“
    „Ich?“
    „Ja.“
    „Wie kann ich das glauben?“
    „Es ist wahr.“
    Vielleicht prüfte SIE ihn jetzt ein letztes Mal. Was in IHR vorging, blieb verborgen wie ein Pharaonengrab in einer Pyramide.
    „Wenn es zu schlimm wird“, sagte Aljoscha, „darf ich Sie dann anrufen?“
    Für Geld kann man alles kaufen. Eine Glühbirne, um die Nacht zum Tag zu machen. Methoden, um Dreck in Gold zu verwandeln. Die Gedanken anderer Menschen oder ihr Ehrenwort. Statussymbole, Killer, Absolution, Nettigkeiten, Alibis, Legitimität, Politiker, Freiheit, Callgirls, Callboys, andere Welten, ein anderes Gesicht, Illusionen, Augenblicke. Eine ganze Menge Augenblicke. Nur eins kann man nicht kaufen: den Augenblick, in dem eine Frau sich hingibt, schenkt und ausliefert.
    Fünf Sekunden, in denen Aljoscha das Gefühl hatte, eine Katze kralle sich an seiner Wirbelsäule fest; dann öffnete SIE rasch IHRE Tasche, holte ein kleines Büchlein hervor, verzichtete darauf, die engen schwarzen Lederhandschuhe von den Händen zu streifen, blätterte mit langen, gespreizten Fingern einige der Seiten auf – sie schienen leer – und riß dann das letzte Blatt heraus. SIE reichte es Aljoscha, schenkte ihm einen Blick, der einen Holzaltar in Brand gesetzt hätte, und eilte ohne weiteres Wort davon.
    Aljoscha sah IHR nach. Dann betrachtete er die Reliquie in seiner Hand. Auf dem herausgerissenen Papier las er IHREN Namen, IHRE Adresse und IHRE Telephonnummer. Sie hieß Katharina Rogowskaja.

31
    Es war nach Mitternacht. Leda steuerte den Wagen mit einer Hand. Dann nahm sie das Lenkrad fest in beide Hände, richtete sich auf in ihrem Sitz, spannte ihren Körper und trat die Gaspedale durch.
    Aljoscha schoß es durch den Kopf: sie wird das Steuer herumreißen, jetzt gleich, sie wird auf die Gegenfahrbahn ziehen, direkt in einen Siebentonnen-LKW. Es ist die perfekte Nacht. Welche Sterne wird man sehen, wenn man nach dem Aufprall blutend auf der Straße liegt? Oder sieht man nur einen großen blendenden Blitz und dann nichts mehr? Kriecht man als Geist auf Händen und Knien aus dem Wrack? Wissen die Engel, wen sie vor sich haben? Kennen sie die ganze Geschichte? Alles wird in Ordnung sein. Verrückte letzte Straße. Jetzt oder nie. Alles wird perfekt sein.
    Aber Leda schien nicht denselben Gedanken zu haben. Sie raste weiter zwischen den Linien, bis die Tachonadel ziemlich abrupt wieder zu sich kam. An einer roten Ampel kam sie auf Null.
    „Verdammt!“ sagte Leda.
    „Was war denn jetzt? Die Post muß durch?“
    „Ich wollte nicht an dieser Kreuzung halten.“
    „Warum, was stimmt denn nicht mit dieser Kreuzung?“
    „Ich weiß nicht. Ich hasse diese Kreuzung. Ich hasse es, hier zu stehen.“
    Aljoscha sah sich um. „Hat dir hier mal jemand blöde Zeichen gemacht?“
    „Nein. Frag mich nicht, ich weiß es nicht.“
    Aljoscha sah aus dem rechten Seitenfenster. Dort lag das Viertel, das er vor einer Weile ausgekundschaftet hatte. Yuri Bloch wohnte nicht weit entfernt von hier, und Aljoscha wußte jetzt, daß die Katzenmenschenfrau tatsächlich ganz in Yuris

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