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Aljoscha der Idiot

Aljoscha der Idiot

Titel: Aljoscha der Idiot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Erdmann
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interessant fand – ich versuche seit Stunden, dort anzurufen, aber es ist ständig besetzt, und jetzt bin ich eigentlich schon auf dem Sprung, du weißt doch, die Museumsbrigade trifft sich heute zum Essen… ich wollte dich fragen, ob du für mich versuchen könntest, bei dieser Nummer durchzukommen?“
    „Sicher“, sagte Aljoscha. „Aber du solltest dir lieber keine Hoffnungen machen.“
    „Mache ich auch nicht“, sagte Leda, und während sie ihm die Nummer durchgab, dachte er über diese Antwort nach.
    Nachdem er am Nachmittag eine Wohnung besichtigt hatte, die für ihn selbst in Frage gekommen war und für 30 bis 40 Mitbewerber dann auch nicht mehr, betrat Aljoscha eine Telephonzelle und wählte die Nummer auf seinem Zettel. Besetzt, besetzt, besetzt. Beim vierten Versuch nahm jemand den Hörer ab. Eine Frau mit hörbarer Müdigkeit in der Stimme. Ein Engel ging durch die Telephonzelle und durch Aljoscha hindurch; unvorbereitet, aber plötzlich in Schwung sprach Aljoscha in die Muschel, und es kam ihm vor, als würde es von seinen Lippen funkeln, und wenn er auch in einer Lüge lebte, überbrachte er doch nichts als Wahrheiten über die Bewerberin, und er spürte, wie am anderen Ende der Leitung die Müdigkeit einer wohltuenden Aufmerksamkeit wich. Als das Kleingeld für den Münzfernsprecher zur Neige ging, sagte die Frau: „Wissen Sie, junger Mann, seit dem frühen Morgen lassen mir die Anrufer keine Ruhe, aber ich werde das Telephon jetzt abstellen. So wie Sie mir Ihre Freundin eben geschildert haben, möchte ich ihr die Wohnung gerne geben.“
    Am nächsten Tag schon unterzeichnete Leda den Mietvertrag. Das Unwahrscheinliche kroch einfach so zu Kreuze. Aljoscha beherrschte es immer besser, den Lauf der Dinge als solchen erscheinen zu lassen, während er im Untergrund beständig daran arbeitete. Er fühlte sich wie ein Ritter nach dem Erobern einer Festung. An einer Art von Ritter hatte eine Art von Burgfräulein einen Wesenszug entdeckt: „Du stürmst nicht blindlings durch dein Leben, ohne nach links und rechts zu schauen. Du wartest, um einem, der gestrauchelt ist, zu helfen, du bleibst stehen, um einem, der erschöpft am Wegrand sitzt, Mut zu geben. Du wirst wohl einigen in guter Erinnerung bleiben. Aber du kommst auf diese Weise deinem eigenen Ziel nicht näher.“
    Es gibt Wege, auf denen man ständig unterwegs ist und nie ein Ziel erreicht. Es gibt Träume, in denen man sich nähern will und doch nicht vom Fleck kommt. Leda hatte ihre erste eigene Wohnung, und ihr Einzug glich einer Evakuierung. Ihr neues Domizil, noch dichter am Elbina-Fluß gelegen als das Haus ihrer Eltern, lag weit entfernt vom Reich der Katzenmenschenfrau. Es gibt Ziele, denen man näher kommt, während man stehenzubleiben scheint. Es gibt Burgen, in denen das Burgfräulein die schöne Gefangene ihrer Abgeschiedenheit ist.
    Den sechsten Kopf nannte Pjotr Die Sphinx. Sie versteht zu fesseln; du läßt dich fesseln, um zu verstehen. Sie weiß dich zu treiben; du läßt dich treiben, um zu wissen. Sie sieht dich leiden; du leidest, um zu sehen. Sie verspricht das Leben; du lebst ein Versprechen. Sie läßt dich Pirouetten drehen, deine Gedanken tanzen Polonaisen, bei Nacht wirst du vor ihrer Silhouette stehen und flehen um das Wesen, das Wesen aller Dinge, du bist das Wesen in der Schlinge, allein im All, im Theater des Absurden sprichst du lange Monologe, und noch im Tal der Königin trachtest du nach Sinn… sie schlägt die Augen auf. Ihr Blick fordert heraus. Herein. Herauf. Hervor. Sei achtsam, wie du vor sie trittst. Sie bindet dich durch Zauber fest. Sie ist die Verachtung deiner kleinlichen Motive und deiner Taschenspielertricks. Und vielleicht die erhabene, alles überdauernde Traurigkeit, die der Verachtung folgt. Unter dem Sichelmond zieht selbst der Tod den Hut vor ihr. Sie erlöst vom Zeitverlust des Falschgedachten. Sie impft das Tun des Ungeheuerlichen mit Selbstverständlichkeit. Sie ist der Permanentmagnet aller Transformation, sie verlangt den Sprung über die Selbstsucht hinaus. Sie schlürft dich aus der Schale des Dir-Innewohnens, sie ist die Herrscherin der Korridore: des Gedankengangs, der Blutbahn, des Gerichtetseins, des Willens, des Rückenmarkkanals mit seiner Schlange, des Samenstrangs, des Wunsches nach Verschmelzung. Sie geleitet dich ins Mehr-als-ich. Mit ihr das begrenzte Universum ausschöpfen! Nichts ist höher, als ihr Freund zu sein. Beuge dich vor ihr, solange du ein Rückgrat hast. Löse

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