Aljoscha der Idiot
Verschiedenheit von Sein und Sollen. Was trifft aufeinander? Ein Herz, das sich ein Gesetz gab, und eine Fügung, die scheinbar Herz und Gesetz entzweit.
DER HÄNGENDE MANN. Man kann natürlich vieles Fügung nennen !
DER TEUFEL. Herrgott, warum schreist du bloß immer so?
DER HÄNGENDE MANN. Verzeihung. Meine Haltung verleiht mir die Impression, daß ich schlecht zu verstehen bin.
DER HOHEPRIESTER. Und wenn diese Fügung nur als Phantasie besteht?
DER MAGIER. Wäre sie dann weniger bedeutsam?
DER HOHEPRIESTER. Scheinbar greift sie an, was besteht. Oder greift sie an, was nur scheinbar besteht?
DIE HOHEPRIESTERIN. Hat diese Fügung Sein, das werden soll? Oder ist ihr Sein ein Widerspruch zum Sollen?
TUGEND. Ist ihr Sollen nicht nur Schein?
DAS SCHICKSAL. Oh nein, ihr Sein steht tief im Soll.
DER WEISE EREMIT. Was andere Fügung nennen, nenne ich Schuld!
DER TEUFEL. Zicke zacke zicke zacke, hoi hoi hoi!
DER RITTER DER KELCHE. Schuld ist ein hohles Wort. Ein extrem gewölbter Begriff. Bauchig geworden vor lauter hineingestopftem Sinn.
DER WEISE EREMIT. Schuld ist Schuld, im Norden wie im Süden, im Westen wie im Osten!
DER RITTER DER SCHEIBEN. Könnte es sich bei dem Stand, den wir betrachten, um eine vorübergehende Erscheinung handeln?
DER TEUFEL. Könnte es sich bei deinem Verstand um eine vorübergehende Erscheinung handeln?
DER RITTER DER SCHEIBEN. Ich lasse mich nicht beleidigen, auch nicht vom Herrn Satan persönlich! Nennt mir Euren Sekundanten!
DER TEUFEL. Hm – Ozzy Osbourne?
DER RITTER DER SCHEIBEN. Sehr witzig.
DER TEUFEL. Ach, hol dich der Teufel.
DER KÖNIG DER KELCHE. Hört mich an, bei der Asche Gogols! Kein Geschehen ist ohne Bedeutung, oder stimmt das etwa nicht? Hat schon alles seinen Sinn, ja, das kann man sagen! Das Geschehen, das ist wie ein – wie ein – Glas mit Wodka! Es wäre schlecht bestellt um die Bedeutungen, wenn sie nicht schon drin wären im Geschehen, wie Wodka im Glas! Ich meine, wo sollten sie sonst hin, die Bedeutungen?
DER TEUFEL. Ist ein Doktor anwesend? Rasch, wir haben einen Notfall hier!
DER KÖNIG DER KELCHE. Wie soll einer die Bedeutung des Geschehens erkennen, wenn es kein Geschehen gibt? Ich bin für weiteres Geschehen, bis man die Bedeutung trinken kann! Sehen kann, ’zeihung.
DIE LUST. Ja! Ja! Ich will, daß es geschieht! Das Geschehen soll geschehen! Immer!
DER WEISE EREMIT. Nur über meine Leiche!
DER TOD. (Aufwachend) Pardon?
DER NARR. (Klatscht Beifall) Das ist ein Wort! Ein gutes Wort! Das ist das beste Wort! Das erste Wort! (spricht leise vor sich hin, mit verschiedenen Betonungen) Pardon? Pardon! Pardon…
DIE PRINZESSIN DER STÄBE. Geschehen muß sein. Wovon sollte man sich als Eremit sonst abwenden?
DER WEISE EREMIT. Ein solcher Hang zum Fatalismus kann nur von Übel sein!
DIE HERRSCHERIN. Niemand sprach von Fatalismus hier.
DER WEISE EREMIT. Aber man kann den Dingen nicht einfach ihren Lauf lassen!
DAS SCHICKSAL. Ach! Seit wann denn nicht?
DIE HERRSCHERIN. Der Vorwurf des Fatalismus kann leicht auf den zurückfallen, der nie das Fatum führen wird, weil er den Tanz verweigert.
DER WEISE EREMIT. Nichthaften am Schein ist kein Fatalismus!
DER TEUFEL. (Zur Prinzessin der Kelche) Zu dir oder zu mir? Ich zeig dir meine Sündersammlung, und ich mach uns schnell was Italienisches! Rigoletto, Quattrocento, Settembrini – was du willst…
DAS SCHICKSAL. Wenn ich es recht verstehe, wird hier die Möglichkeit erwogen, daß ich mich irren könnte?
DIE HERRSCHERIN. Wir sprechen von der Freiheit derer, die Ihr umschlungen haltet, Gnädigste. An Notwendigkeit ist niemals Mangel, wohl aber am Willen Eurer Tanzpartner, sie zu erfüllen oder zu korrigieren.
DER TEUFEL. Freiheit, Notwendigkeit, geht das wieder los! Wollen wir jetzt wieder am alten Fifty-Fifty-Handel ’rumschachern, oder wie sehe ich die Schießbude hier?
DER WEISE EREMIT. Vielleicht kommen wir einmal auf deine Rolle in dieser Angelegenheit zu sprechen, Satanas!
DER TEUFEL. Ich bin erfüllt von der ruhigen Heiterkeit des Nichteingreifens. Ich wasche meine Hände in Unschuld.
DER NARR. Hände?
DER TEUFEL. Schon gut, nur eine Metapher.
DER WEISE EREMIT. Du willst uns weismachen, unbeteiligt zu sein an diesem Fall? War es nicht die Königin der Scheiben, die dazu erpreßt wurde, das Erscheinen dieser… dieser Katzenmenschenfrau zu symbolisieren? Wir alle wissen, daß die Königin der Scheiben den größten Teil des Zeichens Steinbock dominiert!
DER TEUFEL. Na und?
DER
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