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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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Spezialplatz. Am tröpfelnden Brunnen erquicken sich die Vögel. Wenn ich mich mal abwende, ist - bums! - das Wasser abgestellt. Wasser sparen! Du lieber Himmel, die paar Tropfen! Wo ich niemals ein Wannenbad nehme, immer nur dusche, aber man muß mit gutem Beispiel vorangehen, auch wenn’s niemand sieht.
    Gestern war die Europawahl. Die CDU hat Stimmen eingebüßt. Ich hab’ nicht erlebt, daß die mal bei einer Wahl zugelegt hätten - außer 1956, davon zehren sie offenbar noch immer. Vielleicht liegt das an der Taumelei, ein ständiges Hin und Her, und an«Selbstdemontage». Kohl hat anfragen lassen bei mir, was er sagen soll am I. September. - Ich hab’ geantwortet, er soll Blut, Schweiß und Tränen fordern.
    Ich arbeite wie ein Verrückter. Das Telefon haben wir abgeschaltet, und so kann ich mich dem Roman (M/B) widmen, der jetzt Kontur bekommt. -«Echolot»: Tag für Tag zwei bis drei Stunden nebenher.

    Ich habe jetzt das gesamte Tagebuch«Kaulsdorf’45»eingegeben, das mir mal eine Zuhörerin nach einer Lesung überreicht hat, unbekannter Autor, Sperrmüll. Es beginnt mit dem Einmarsch der Russen und endet zwei Monate später mit seinem Tod. Ständig droht ihm der Rausschmiß aus seiner Wohnung, dauernd verfrachtet er seinen Schlafzimmerschrank, den er unbedingt für seine Tochter retten will, die schon längst im Westen ist, von einem Platz zum andern. Auch Stoff für einen Film. Hühner /Garten. Sparkassenangestellter irgendwie. Frau verläßt ihn zwischenzeitlich, und anderntags beten sie gemeinsam das Vaterunser. All solche Sachen. Aber der Schlafzimmerschrank, der muß in die Literatur eingehen, dafür werde ich sorgen.
    Heute telefonierte ich mit Keele. Ich schwärmte ihm von meinen Computer-Taten vor. Wie sich das Bassin allmählich füllt, beschrieb ich ihm. - Alles Fügung. Wenn ich in Provo nicht gesehen hätte, wie er die Konkordanz mit dem Computer in den Griff kriegte, hätte ich das«Echolot»nie begonnen. - Keele erzählte mir von der Begeisterung, mit der das Ehepaar Davis die«Hundstage»übersetzt hat. Ganze Passagen hätten sie daraus vorgelesen, jedem der’s hören und nicht hören wollte, auf dem Korridor in der Universität, auf Parties; und der Verleger will sich sehr einsetzen für das Buch.
     
    1999: Hier eine Textprobe aus der englischen Übersetzung.
    ALEXANDER SOVTSCHICK STOOD AT the gate. He continued to watch even after his wife Marianne had driven her VW Golf down the lane between rows of poplars and, chased by the village dogs, had disappeared in a cloud of dust.
    They’d been running around in the house all morning long - slamming doors, up the stairs, down the stairs, forgetting this, then that. But they’d survived it and now things were moving: Marianne would reach the Autobahn and push on with increasing speed, farther and ever farther away toward the vacation spot she had worked and
planned for all through the long winter evenings: the Isle de Camps on the Atlantic coast - Lord knows that’s a long way! Ah, the ocean, what else? The foaming surf, and, in the nearby village, a cozy restaurant where she can doubtless partake of exotic delicacies.
    1991 erschienen im Verlag Camden House. Verkauf gleich null.
    Die Holländer drücken dieselbe Stelle so aus:
    Alexander Sowtschick stond bij de poort. Hij keek zijn vrouw na. Zojuist was Marianne in haar Golf de populierenlaan afgereden en was ze, achtervolgd door dorpshonden, verdwenen in het stof van de weg.
    De hele ochtend was er rondgerend in huis. Slaan met deuren, trap op, trap af, dit nog vergeten, dat. Nu was alle leed geleden, nu was alles op gang gekomen: Marianne zou bij de snelweg komen en met hogere snelheid verder rijden, steeds verder, naar het vakantieoord dat op lange winteravonden was verdiend: Isle de Camps aan de Atlantische kust, in elk geval ver weg! De zee, nietwaar? De schuimende golven en in het nabije stadje een restaurant waar ongewone heerliikheden te eten zouden zijn.
    1989 erschienen in Amsterdam. Tinke Davids heißt der Übersetzer.
    2000: Die Übersetzung wurde ein katastrophaler Mißerfolg. Ich sei eben ein sehr deutscher Autor, hieß es.
     
    Die Asylantenfrage. Man darf nicht mehr«Asylanten»sagen, es heißt jetzt:«Asylsuchende». Das wird nicht der letzte Stand der Sprachregelung sein. Wir werden uns noch ganz schön umstellen müssen. Auf«Asys»werden sie nicht kommen. Wer«Asylanten»sagt, wird streng am Ohr gezogen. Ein asylsuchender Auszubildender, der gleichzeitig

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