Alkor - Tagebuch 1989
Falschrichtungsfahrer ist.
Hildegard hat sich in Bremen das«Gold aus dem Krim»angesehen. Regte sich über das Bremer Publikum auf. Volksrepublik Bremen. - Aber die Bremer Leser sind mir treu, das muß mal deutlich gesagt werden.
Heute früh kam eine Schulklasse mit Müttern. Den«Tadellöser»hatten die Schüler vorher gelesen, ächzend und stöhnend. Nun sollten sie mich was«fragen». Dies geschah nicht, und so erzählte ich allerlei Wahres und Unwahres aus meinem Leben. Eine Frau fragte schließlich, wie ich es aushalte hier auf dem Lande? Und ein Jüngling sagte, nein, in die DDR fährt er nicht, das sei ihm zu teuer. Der Lehrer warb bei mir um Verständnis: Es sei so wahnsinnig langweilig in der DDR! Das hätten ihm Kollegen erzählt. Jugend wolle was erleben. - Ein Mädchen: Woher ich all die Bücher habe, das interessierte sie. Und das war’s dann so ziemlich. Die Verblödung unseres Volkes macht sichtlich Fortschritte. Wozu der Innenhof da ist, wollte eine dicke Frau wissen. - Zwei Stunden des Lebens verloren. Vorher Gott sei Dank an M/B arbeiten können.
Eine der Mütter fragte, ob man die Gläser aus der Kugelbahn wieder rauskriegt, wenn man mal Wein trinken will. - Neulich wollte eine Frau wissen, ob sich die Kugeln auch mal begegnen. Oldenburg: Durch meine Ungeschicklichkeit kam es heute zu einem Eklat, eine schwarzfarbige Studentin erschien in der Vorlesung, mit Hund. Ich sag’:«Was ist denn das für eine Rasse?»- Sie:«Rasse - was ist denn das für ein Wort…«
Thomas Mann - Briefe an Agnes Meyer. Die wunderliche Sache mit den geschenkten Manschettenknöpfen und dem Schlafrock, der ihm nicht paßte.
Schubert, daß Goethe ihn nicht mochte.
Sonate, B-Dur, D. 960 - eingängig. Am Computer komme ich auf den Gedanken: wenn’s möglich wäre … Nein, es ist nicht möglich und es wird nie möglich sein, die ungedachten Gedanken, die nicht geschriebenen Werke sichtbar zu machen.
Nartum
Di 20. Juni 1989
Bild: Momper bei Honecker/Jetzt alle leichter nach drüben/ Auch Hunde und Katzen dürfen mit/So fiel Khomeni aus dem Sarg
ND: Meinungsaustausch zwischen Erich Honecker und Walter Momper/Neonazis in der BRD sind weiter auf dem Vormarsch
Hildegard nicht da. - Hitze.
Nun machen uns Polen zum Vorwurf, daß wir der Volksrepublik Kredite gegeben haben. (Club 2)
China hat 18 Millionen Menschen umgebracht seit 1949, steht im«Spiegel». - Die Sowjetunion laut Gorbatschow 60 Millionen, die Verhungerten nicht mitgerechnet.
Schönhuber wird falsch bekämpft. Das, was man ihm vorwirft - Führungsstil, Gefolgschaft -, wird andere anlocken. Aber er hat dergleichen ja gar nicht. Diese Leute schieben sich doch nur dumpf-schwitzend durch die Menge.
Sowjetische Passagierschiff-Havarie, keine Bilder. Man kann sich vorstellen, wie’s bei denen im Maschinenraum aussieht. Rostiger Draht und baumelnde Glühbirnen.
Störung der Mittagsruhe, die Tierfreundin holte ohne Vorwarnung ihr Manuskript wieder ab -«Tuckchen war mein zutraulichstes Hühnchen». Alte Damen sind oft ungeduldig, das kann man verstehen. Tragisch! Sie wird es nirgendwo loswerden, und hier bei uns würde man es vielleicht eines Tages entdecken. Wunderbarer Himmel, nachts Düfte in der Luft.
Schnurre gestorben.«Was, ich soll krank gewesen sein?»sagte er zu mir, als ich ihn fragte, ob es ihm besser geht. Dabei hat Johnson doch lang und breit davon berichtet und er selbst doch auch, daß Johnson am Fenster gestanden hat, bei ihm im Klinikzimmer, eine ganze Stunde lang, und rausgeguckt und dann wieder gegangen.
M/B jetzt 44 Seiten. Heute sehr fleißig.
Kleßmann antelefoniert, wie’s ihm geht und wie’s mir geht. Vormittags schläft er lange, er arbeitet nachts, sagte er.
Großes China-Gejammere: Das kommt davon, wenn man Kommunisten unterschätzt. Natürlich lassen sich deren jahrzehntelange Greuel mit denen der Nazis vergleichen. Kommt darauf an, welche Schlüsse man daraus zieht.
Glücksgefühle wegen des Machtzuwachses durch den grünleuchtenden Computer. Tick, wenn ich was eingeben will, tack, ob schon was da ist auf dem 18. Mai 1945. Im Augenblick bin ich mit einem Rostocker Richter beschäftigt. Die Russen sind da, und ein Mann beschimpft ihn auf der Straße, er habe ihn zu hart verurteilt usw.
Eine sporadische Mitarbeiterin hat mir zu«Hundstage»einen lila Brief geschrieben:«An diesem liebenswerten Arsch Sowtschick stört mich eine Sache massiv: Er ist ein Chauvi, das heißt, er bedient sich der Frauen …»
Eine
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