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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
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fragten, sondern die Aktion sofort verhinderten; sie konnten ihre Empörung überhaupt nicht artikulieren. Sie kamen nach Nartum und schrien da herum, verlangten Mitbestimmung und ein Statut und so was alles, und die DDR? Nein, die durfte doch nicht destabilisiert werden!
    Rowohlt hat ansonsten für den«Block»damals nichts getan. Auch die Linken nicht.
    Im«Block»ist irgendwo die Rede von einer Bahnhofsbuchhandlung in Breslau. Was ich nicht wissen konnte: Der Rowohlt-Vertriebschef selbst hatte diese Buchhandlung besessen, und er hat gedacht, ich wollte ihn damit ärgern.
    Ich sollte mir man keine Sorgen um die Zukunft machen, meinte Trutschell. Wenn Schlesien wieder deutsch werde, besorgte er mir eine Bahnhofsbuchhandlung in Breslau.
    So lautet die fragliche Stelle. Schicksale von Büchern.
    Jeder ist sich selbst der Größte.

Nartum
Do 27. Juli 1989
    Bild: Radfahrer/Rüpel der Nation?
    ND: In der Ernte bewährt sich gegenseitige Bauernhilfe 8

    Das Sommermädchen Melanie schreibt, daß sie sich schwerpunktmäßig aufs Tanzen konzentriert:«Am 3. August fahren wir zum Internationalen Choreographenwettbewerb nach Wien … Daran, lieber Walter, kannst Du erkennen, daß ich nicht etwa eine Hupfdohle oder eine Tingeltangelmaus bin, sondern eine seriöse Künstlerin, jawohl!»
    Ein Leser über die DDR:«Ich bin jedes Jahr 120mal rübergefahren nach Ostberlin, ich habe bloß zweimal jemanden getroffen, der für die DDR ist. Das eine Mal Stasi, das andere Mal ein Professor der Amerikanistik.»
    Professorengeschichten: Ein deutscher Professor hat in der Deutschen Sommerschule in Thaos versucht, seinen Anzug im Handwaschbecken zu waschen. Es war derselbe, den ich zufällig dabei überraschte, wie er den Studenten erzählte, daß man in der DDR alle Theater- und Konzertkarten umsonst kriegt. Als er merkte, daß ich das mitangehört hatte, war es für den Rückwärtsgang zu spät. Die deutsche Besatzung an der Schule schloß sich übrigens sofort gegen mich zusammen. Die rochen es, daß ich ihr linkes Gefasel durchschaute.
    Arbeiterdichter Max von der Grün. Er soll ziemlich reich sein und einen gewaltigen Weinkeller besitzen.
    Buchheims Zeichnungen von deutschen U-Boot-Kapitänen wurden von den Nazis im Haus der Deutschen Kunst ausgestellt. Prunkender Lebenslauf mit Tiefenschärfe. Baumgart: Nach 45«Arbeit in der Landwirtschaft und einer Fabrik …»Also Arbeiternachweis. - Dann allerlei Wohlklingendes: München, Freiburg, Glasgow, Manchester.«Kurzer, bald aufgegebener Versuch eines Chemiestudiums.»Er wäre wohl gern Romancier geworden. Hat auch einen zustande gekriegt. Horchen wir hinein in seine«Spieldose»von 1961:
    Ich lag noch auf dem Bett, in Schwebe zwischen Schlaf und Licht, das meine Augen beizte. Das Telefon meldete sich vom Bad herüber. Ich richtete mich auf, tauchte [in der Badewanne?], vergeblich, nach einer Bekleidung für meine Füße, erhob mich barfuß, wehleidig, denn der unverdaute Alkohol schickte Graupelschauer über meinen Rücken. Im Bad stand zu allem Überfluß das Fenster offen.

    Nun, bleiben wir mal auf dem Teppich: Wir wollen mal nicht so genau nachsehen, was ich 1961 geschrieben habe. Aber ich habe ja auch nicht studiert in XXX, siehe oben. - Als Kritiker ist er übrigens recht fair. Daß er seine Vorlieben hat und Abneigungen - das ist doch durchaus in Ordnung.

Nartum
Fr 28. Juli 1989
    Bild: TV-Autor Lohmeyer enthüllt/Das ZDF-Millionen-Ding mit Leo Kirch
    ND: Höhere Leistungen und bessere Arbeitsbedingungen
     
    Dorfroman: Hühner-Beobachtungen werden fortgesetzt. Das Altern der Hennen, ihr Federkleid ist nicht mehr so propper. Die Küken hingegen rennen umher, von der überklugen Henne hysterisch auf jedes Körnchen hingewiesen. Sie selbst pickt und verliert es wie unabsichtlich. Ein solches Tier müßte das Gnadenbrot erhalten. Frau Schönherr wird’s irgendwann beseitigen. Die Küken wachsen übrigens sichtlich.

Nartum
Sa 29. Juli 1989
    Bild: Greif-Kommando holte Terror-Scheich/Tollkühn, diese Israelis!/Mit Hubschrauber ins Hauptquartier
    ND: Tatkräftige Solidarität als Botschafter im Blauhemde
     
    «Eh,’n bißchen mehr mit Gefühl!»(Ein größeres Mädchen zu einem kleineren, das Blumen ausrupft.)
    Tante Elisabeth ist gestorben, eine der«sechs Töchter»: 92 Jahre. Sie hat damals gesagt, als der«Tadellöser»herauskam:«Ja, aber wir sind doch adelig!?»Die Sache mit den de Bonsacs = Bohnensack. Später dann, als Ernst von Klippstein den Großvater
spielte, war alles

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