All die alten Kameraden: Kriminalroman aus der Eifel (Opa Berthold) (German Edition)
aus der Nähe sehr wohl erkannte.«
»Hallo Herr Brenner«, sagte er dann lauter. »Wohin des Weges?«
Der so angesprochene Mann reagierte in keiner Weise, sondern setzte sich mit einem leisen Seufzer auf die Bank und schaute gelangweilt, beinahe traurig umher.
»Mensch, sehen und hören Sie denn gar nichts?«
Keine Antwort.
»Der Kommissar hatte ja schon manchen seltsamen Vogel erlebt. Dieser Alte jedoch verwunderte selbst den erfahrenen Ermittler«, kommentierte Lorenz, den Brenner keiner Antwort für würdig hielt. Dann schwieg er etwas frustriert und betrachtete sein Gegenüber neugierig.
Nach kurzer Zeit erhob sich Brenner wieder und setzte seinen Weg fort. Sein Beobachter flüsterte: »Wollbrand beschloss, dem schweigsamen Sonderling zu folgen. Das außergewöhnliche Verhalten des Mannes mochte den Kommissar vielleicht zu einem außergewöhnlichen Fall führen. Dies sagte ihm sein untrüglicher Instinkt.«
Beide Männer gingen langsam durch die Stille der Nacht, der eine in sich gekehrt, der andere in gespannter Erwartung, wohin seine Verfolgung ihn führen und ob der Sonderling namens Brenner weitere verdächtige Verhaltensweisen offenbaren würde. Nach einigen Minuten bemerkte Lorenz, dass das Objekt seiner Neugierde tatsächlich etwas Sonderbares tat. Hin und wieder blieb Brenner stehen, hob die Hände gen Himmel oder vollführte sonstige Gesten der Verzweiflung und stammelte Sätze wie: »Das hält kein Mensch aus« oder »Selbst Gott kann so nicht existieren«. Dann ging er weiter. Das Nächste, was seinem Verfolger auffiel, war, dass man sich langsam und über Umwege, aber dennoch unzweifelhaft und stetig dem Start seiner Exkursion näherte. Plötzlich blieb der Mann stehen und rief mit einer Stimme, die Überraschung auszudrücken schien: »Ach du Scheiße!«
»Herr Brenner?«, wandte sich Lorenz erneut an ihn. Brenner drehte sich um, sah ihn an und antwortete: »Herr Bertold, was machen Sie denn hier?«
»Das möchte ich Sie gerne fragen«, versetzte Lorenz.
»Wo sind wir?«, fragte Brenner wiederum zurück.
Lorenz runzelte die Stirn und kommentierte leise flüsternd: »Das Gespräch schien aus einer Abfolge von nicht aufeinander abgestimmten Fragen zu bestehen. Dem musste der Kommissar ein Ende setzen, da sein Gesprächspartner zu einem vernünftigen Dialog offenbar nicht in der Lage war.«
Dann sagte er laut zu seinem Gegenüber: »Lieber Herr Brenner, wir sind in Nideggen, unweit unserer wertgeschätzten Residenz, und es ist, Momentchen bitte, gleich zwei Uhr nachts.«
»Ach, Herr Bertold, ich danke Ihnen. Ich war wohl etwas abwesend.«
»Das kann man wohl sagen«, erwiderte Lorenz. »Sie scheinen dem Schlafwandeln anzuhängen.«
»Wenn Sie’s sagen«, meinte Brenner. »Ich bin müde. Begleiten Sie mich zurück zum Heim?«
»Aber gerne. Lassen Sie uns gehen.«
Die beiden Alten spazierten ohne Hast durch den Ort, ließen sich vom spärlichen Sternenlicht inspirieren, jeder auf seine eigene Weise, die er dem anderen nicht mitteilte, und empfanden die gleiche Kühle der beinahe windstillen Spätsommernacht. Als sie am Ausgangspunkt ihres Ausflugs angelangten, stockten sie. Lorenz meinte: »Wir könnten vom Garten aus durch ein Kellerfenster einsteigen.«
»Ich habe einen Schlüssel für den Nebeneingang zum Küchentrakt«, antwortete Brenner.
Lorenz nickte erleichtert und zustimmend. »Gut, Nebeneingang.«
Während Brenner vorging, folgte Lorenz ihm in einigem Abstand. Dabei murmelte er leise vor sich hin: »Der Kommissar fragte nicht, woher Brenner den Schlüssel zum Nebeneingang hatte. Dieses Geheimnis würde er sicher noch lösen, genauso wie den rätselhaften Somnambulismus des Alten.«
Brenner öffnete leise die Tür und horchte in das Haus hinein. Dann trat er ein und wartete auf Lorenz. Der folgte ihm. Brenner schloss die Tür ebenso leise, wie er sie geöffnet hatte. Dann flüsterte er: »Ich gehe vor. Nicht dass wir dem Drachen dieses bösen Horts in die Fänge laufen.«
Er ging vorsichtig voraus und war bald im Dunkel verschwunden. Lorenz folgte ihm durch die Küche in den Gang, der zum großen Speisesaal führte. Plötzlich ging das Licht an. Er zuckte zurück und fand eben noch Deckung hinter einer Biegung des Gangs, als die schneidende Stimme der Heimleiterin Sybille Klinkenberg die nächtliche Ruhe in tausend Scherben zerbersten ließ.
»Herr Brenner«, fräste sich ihr Organ durch den Speisesaal. »Können Sie mir sagen, was Sie hier tun?«
»Gehen Sie davon aus,
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