All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
nehme mal an, sehr kurze Liebesaffäre, bis Mariah Schluss machte. Ja, es sollte sich alles ändern, und zwar nicht zugunsten von Rose. Und das konnte sie einfach nicht ertragen.«
Die Stille im Raum war so dicht, dass sie sich wie schwerer Stoff anfühlte, gewichtig wie die Samtvorhänge im Wohnzimmer von Simon Santos. Jury verstummte. Keiner sagte etwas. Der tief konzentrierte Ausdruck in Chris’ Blick verriet ihm, dass sie krampfhaft überlegte, was sie ihm darauf entgegnen könnte.
Also sprach er weiter. »Der Kassenbeleg von Waterstone’s. Den haben Sie Rose Moss irgendwie zukommen lassen. Dabei dachten Sie sich, David war der Einzige, dem er möglicherweise hätte herausfallen können. Sie haben genauso kombiniert wie ich. Dass nämlich an dem Tag zu der Uhrzeit vermutlich keine
weiteren Exemplare verkauft worden waren. Was Sie aber anscheinend vergessen haben: Sie waren die einzige Person, die diesen Beleg besaß. Sie sind überkorrekt vorgegangen, Chris. Sie haben versucht, es David anzuhängen, und haben dabei vergessen, dass Sie damit womöglich auch auf sich selbst deuten …«
»Chris.« David stand noch, den Kopf gegen die kalte Fensterscheibe gepresst. Er sagte es nicht direkt zu ihr, stieß ihren Namen wie einen Hauch, ein Seufzen hervor.
Jury fuhr fort. »Der Fehler konnte Ihnen aber leicht unterlaufen, denn wer würde Sie schon des Mordes an Kate Banks verdächtigen?«
»Das ist ja alles recht fantasievoll«, sagte Chris, »ich sehe allerdings keine Beweise.« Als wollte sie sich über ihn lustig machen, unterzog sie den Raum einer eingehenden Begutachtung. Sie lächelte.
Jury ignorierte die Bemerkung. »Ein besonders guter Einfall war der Abdruck von dem Manolo Blahnik-Absatz.«
Ihr Lächeln wurde noch breiter. Die Sache schien ihr jetzt direkt Spaß zu machen. »Von wem war er denn, wenn nicht davon?«
»Nun, es war gar kein Absatz.« Jury trat hinüber an die Ecke neben der Schuhwand. »Sondern das hier.« Er holte eine der Krücken hervor. »Sie konnten ja wohl kaum im Rollstuhl bis zu der Stelle fahren, wo Sie Mariah Cox töteten. Also mussten Sie Krücken benutzen …«
»Was soll das heißen? Ich komme überhaupt nicht zurecht mit Krücken!«
»Aber sicher. Wenn man Ihre Armmuskeln anschaut, würde ich sagen, Sie sind gut in Übung. Erst dachte ich, das kommt vom Rollstuhlfahren. Dumm von mir, denn der ist ja elektrisch! Das war ein Detail, das Sie nicht durchdacht haben. Komisch, wie unser Verstand arbeitet. Dadurch, dass wir ein Problem lösen, schaffen wir ein anderes. Sie jedenfalls lösten das Problem, im Rollstuhl bis zur Lycrome Road zu gelangen, indem Sie Krücken
benutzten. Unter dem langen schwarzen Mantel da« – Jury wandte sich zum Mantelständer – »würden andere Autofahrer vermutlich nichts bemerken. Ihr Vorteil waren natürlich die Straßenarbeiten. Kaum jemand im Pub und keine Autos auf dem Parkplatz. Die Krücken stellten allerdings ein Problem dar. Es gelang Ihnen ganz gut, auf der harten Bodenfläche zu bleiben – auf dem Parkplatz, der Terrasse -, aber dann blieb doch dieser kleine, tiefe Abdruck im Erdreich.« Jury hielt inne. »Hut ab, Chris. Falls jemand draufkäme, dass der Abdruck nicht von einem Schuh stammte, wären Sie geliefert, stimmt’s? Da kam Ihnen die Idee mit Manolo Blahnik!
Das war der Auslöser, der mich auf Rose Moss als die andere Beteiligte an dem Unternehmen brachte. Komisch oder vielleicht ist es auch Eitelkeit … aber ich glaubte, Rose Moss hätte etwas für mich übrig. Falsch. Sie traf sich mit mir, um herauszubekommen, wie viel ich wusste. Sie war überhaupt nicht scharf auf mich. Rose interessiert sich nicht für Männer, sie ist lesbisch. Sie nahm an, Mariah wäre es ebenfalls. Sie ist auch nicht wie Sie, Chris. Sie hat nicht Ihre Nerven, Ihre schauspielerischen Fähigkeiten, sie klappt gleich bei erstbester Gelegenheit zusammen. Sie liefert andere sofort ans Messer, wenn sie sich selbst dadurch retten kann.
Bevor sie sich in dem Klub von mir verabschiedete, sagte sie: ›Sie glauben also nicht, dass ich in meinen Manolo Blahniks nach Chesham gerannt bin, um sie zu erschießen?‹ Sehr unvorsichtig von ihr. Von diesem vermeintlichen Manolo Blahnik-Absatzabdruck war in den Medien überhaupt nie die Rede gewesen. Das hätte sie nur von Ihnen haben können oder von der Polizei. Und von David oder mir hat sie es bestimmt nicht. Es lief also alles auf Sie hinaus, Chris. Es läuft so ziemlich alles auf Sie hinaus.«
In der
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