All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
in dem langen grünen Abendkleid, mit den Brillantohrringen, die unter ihrem kastanienroten Haar hervorschauten. Da war er in der Tat hingerissen gewesen.
»Ja. Und weiter.«
»Ich habe für meinen Dad gearbeitet, Zwiebeln, Salatköpfe, Kartoffeln eingetütet. Ich kann mir keinen Job vorstellen, der weniger … sexy ist. Ich weiß noch, wie ich mir ausmalte, ich wäre Polizist, bei der Kripo.« Er lachte. »O Mann, hat hier vielleicht jemand eine Zigarette?« Er wandte sich fragend an Jury, dann an Wiggins.
Jury sagte: »Wiggins, schauen Sie mal, ob Sie draußen ein paar Fluppen organisieren können. Und Streichhölzer.« Wiggins ging, und Jury sagte: »Wie hat Chris es aufgenommen? Das mit Ihnen und Kate damals in Brighton?«
»Können Sie sich ja denken. Wir haben uns getrennt. Kate und Chris gingen noch zur Schule, es war ihr Abschlussjahr in Roedean. Danach habe ich Kate nicht mehr gesehen. Ich glaube, Chris hat sie abgewimmelt. Ich glaube, sie hat ihr irgendwas Abschreckendes erzählt. Keine Ahnung. Irgendwie ist Kate dann aus meinem Leben verschwunden.«
»Und plötzlich wieder aufgetaucht. Saß vielleicht bei Waterstone’s in der Kaffeebar.«
»Woher wissen Sie das?«
»Sie mögen Bücher. Sie mochte Bücher und die Kaffeebar dort. Hat uns ihre Patin, Myra Brewer, erzählt.«
»Ich dachte, ich sehe nicht recht. Fast zwanzig Jahre, und Kate Muldar hatte sich kein bisschen verändert, kein…« Er schaute umher, als suchte er ein Messgerät, um Jury zu veranschaulichen, wie sehr sie sich nicht verändert hatte.
Der Anblick hatte etwas herzzerreißend Pathetisches.
»Kein klitzekleines bisschen.«
Die Tür ging auf, und Wiggins kam mit einem halbvollen Päckchen Rothmans herein. Er legte es auf den Tisch, ein Streichholzbriefchen obendrauf.
David bedankte sich, schüttelte eine Zigarette heraus und fing an zu rauchen.
»Nicht alle diese Fahrten nach London dienten dem Besuch der Schuhgeschäfte auf der Upper Sloane Street, oder?«
David schwieg, schnippte die Asche von seiner Zigarette in ein zerbeultes Metallschälchen mit der Aufschrift »Bass«. Der Blick, den er Jury zuwarf, war die Antwort.
»Wie oft haben Sie sich mit Kate Banks getroffen?«
»Genau kann ich es nicht sagen, ein Dutzend Mal vielleicht.«
Jury lächelte. »Sie können es ganz genau sagen, David. Sie könnten es bestimmt so gut hersagen wie ein Kriegsgefangener Namen, Rang und Kennnummer.«
David lächelte müde. »Okay. Wir haben uns in den letzten vier Monaten ein Dutzend Mal getroffen.«
»Und davor? In London? Vor drei Jahren?«
Er senkte den Kopf wieder, als wollte er einem Schlag ausweichen. »Wie kommen Sie darauf, dass ich damals mit ihr zusammen war?«
»Wegen der Art, wie Sie sich jetzt gerade verhalten. Davor habe ich es nur vermutet. Es würde mich aber nicht wundern, dass Sie deswegen aus London weggingen.«
»Chris wusste nicht …«, beeilte er sich zu sagen.
Jury musterte ihn ungläubig. »Und doch hat Chris darauf bestanden, dass Sie weggehen, nicht wahr?«
Er nickte nur unmerklich mit dem Kopf.
»Wusste Kate denn, dass Sie verheiratet sind?«
Das Nicken war etwas nachdrücklicher. »Aber nicht, dass es Chris war. Das habe ich Kate nicht gesagt.«
»Warum nicht?«
David blies die Backen auf. »Kate hätte gedacht, es fängt alles von vorne an, und das hätte sie nicht zugelassen.«
»Es fing aber doch wieder von vorne an.« Jury beugte sich über den Tisch näher zu ihm hin. »Und Chris wusste es.«
Offenbar ehrlich bestürzt sah Cummins erst Jury an und dann an ihm vorbei, als lauerte seine Frau dort in der Ecke. Von panischer Wut überwältigt rief er aus: »Das ist doch lächerlich! Wie kommen Sie denn darauf, um Gottes willen?«
»Um zunächst eine Binsenweisheit zu zitieren: Ehefrauen spüren so etwas immer. Sie merken es, wenn ihre Männer fremdgehen. Aber mehr noch, Sie waren unvorsichtig. Was kaum verwunderlich ist, wenn man bedenkt, was Sie für Kate empfunden haben. Sie sagten es vorhin: Sie hat alles andere ausgeblendet. Nichts anderes war mehr wichtig. Wenn sie mit achtzehn so auf Sie gewirkt hat, wie viel mehr dann mit siebenunddreißig?«
»Aber was meinen Sie mit ›unvorsichtig‹?«
»Mussten Sie sein, Sie waren ja total verliebt. Sicher kamen Sie mit Parfüm am Mantel nach Hause, Lippenstift auf dem Hemd…«
»Ausgeschlossen …«
»Das genau vielleicht nicht, aber Sie waren mit den Gedanken so woanders, dass Sie gar nicht darauf geachtet haben, sämtliche Spuren einer
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