All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
Kassenzettel von deinem Buch gefunden, das ich bei Waterstone’s gekauft habe. An der Stelle, wo Kate Banks ermordet wurde.«
Sie hatte gerade nach ihrer Teetasse greifen wollen. Verständnislos musterte sie erst ihren Mann, dann Jury, dann Wiggins. »Was sagst du da? Der Kassenzettel …«
Jury wusste, sie würde die gleiche Erklärung vorbringen wie ihr Mann, und so war es.
»… muss von jemand anderem sein.«
Und Jury erhob wieder den gleichen Einwand gegen diese Theorie.
Sie sah ihn wütend an. »Das ist doch lächerlich. Er lag im Buch, ich habe ihn in das Kästchen getan, wo ich alle Belege aufbewahre. In das Kästchen mit den Intarsien. David, schau doch mal nach.«
David stand auf und trat an das mächtige Möbelstück. Er holte ein hölzernes Kästchen hervor, mit Intarsien, ein ziemlich ausgefallener Gegenstand für die Aufbewahrung von Kassenbelegen. Er blätterte die Zettel durch. »Er ist nicht dabei.«
»Gib doch mal her.« Ungehalten streckte sie die Hand nach dem Kästchen aus.
Jury sagte: »Er hat recht. Er ist nicht dabei.«
»Woher wissen Sie das?« Sie warf Jury einen abschätzigen Blick zu. Der aber nicht sehr überzeugend wirkte. »Hören Sie. Wenn Sie … David kannte sie kaum, und ich auch nur flüchtig. Ich hatte – wir hatten sie schon ganz vergessen. Der Name hat uns eigentlich nichts gesagt.«
Wiggins schaltete sich ein. »Ein bisschen aber schon, oder?«
Wieder fiel ihr Blick auf Wiggins, dann auf Jury und verweilte schließlich auf ihrem Gatten. »David, was ist hier los?«
Der beunruhigte Tonfall, fand Jury, wirkte überzeugend.
»Kate und ich sind uns wieder begegnet. Wir haben uns ein paar Mal getroffen.« Davids Blick wanderte zum Fenster.
Von Chris kamen die zu erwartenden Überraschungsbekundungen. Jury ging darüber hinweg. »Aber das wussten Sie ja bereits, nicht wahr?«, sagte er.
»Was reden Sie da? Natürlich nicht.« Ihre Stimme klang erstickt, als schnürte ihr etwas die Kehle zu, die unvergossenen Tränen.
»Deshalb wünschten Sie ihr den Tod. Es war schon einmal passiert, als Sie alle drei noch jung waren. In Brighton. Es noch einmal zu erleben, würden Sie nicht ertragen.«
»Wollen Sie damit sagen, ich hätte sie umgebracht? Ich wäre nach London gefahren, zu der Straße, in der sie gestorben ist, und wieder zurück? Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, ich sitze im Rollstuhl.« Sie schlug auf die Armlehne, als wollte sie zeigen, dass er echt war und sie darin saß.
»Ich behaupte nicht, dass Sie sie ermordet haben. Sie haben sie ermorden lassen.«
Chris trug eine schockierte Miene zur Schau, die überzeugend wirkte. » Was? Ich soll jemanden dafür bezahlt haben …?«
»Nein. So dumm sind Sie nicht. Sie wissen ganz genau, dass Sie dann erpressbar wären, dass ein Auftragskiller Sie für immer in der Hand hätte.«
»Aha, also, selber war ich es offenbar nicht, und bezahlt habe ich auch keinen dafür. Wie habe ich es dann geschafft? Mit einem Fluch?« Sie lachte.
Es war das fieseste Lachen, das Jury je gehört hatte. »Sie taten das Einzige, was mit Sicherheit dafür sorgen würde, dass der Mörder schwieg: Sie tauschten Morde.«
David wurde, falls das möglich war, noch bleicher, noch abgespannter. »Was?«
Jury schaute ihn nicht an. Sein Blick verharrte auf Chris, der bei dieser letzten Bemerkung das leichtsinnige Lachen verging. »Ihr Opfer kam gewissermaßen zu Ihnen. Damit will ich sagen, Sie brauchten gar nicht nach London zu gehen. Ihr Anteil an dem Handel war sie: Mariah Cox. Stacy Storm.«
Ihr Mund mahlte nervös, doch sie sagte vorerst nichts. Dann: »Ich hatte nicht den geringsten… Ich hatte überhaupt keinen Grund, Mariah Cox zu ermorden. Die Bibliothekarin?«
»Ich weiß, dass Sie keinen Grund hatten. Das war es ja gerade. Es gäbe kein Motiv. Die Ironie liegt nun darin, dass Sie glaubten, Sie würden eine wildfremde Person umbringen. Sie wussten ja nicht, dass Stacy Storm sich als jemand aus Chesham entpuppen würde, jemand, den Sie kannten. Sie haben sie zunächst nicht erkannt. Doch sie hat Sie erkannt. In dem Moment aber, als Sie ihr dort auf der Terrasse des Black Cat gegenüberstanden, konnten Sie nicht schnell genug umdenken, um das unvermittelte Zusammentreffen zu erklären. Ihnen blieb eigentlich gar nichts anderes übrig, als sie eben zu erschießen.
Rose Moss hatte auch kein Motiv, Kate Banks umzubringen. Sie aber schon. Genauso wie Rose Moss ein Motiv hatte, Mariah Cox zu töten. Die beiden hatten eine, ich
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