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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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nicht stehen bleiben, hatte auch keine Lust dazu, bei diesen beiden grinsenden Blödmännern mit ihren Schlagstöcken und Dienstwaffen und den City of London Polizeiinsignien an den Uniformen, die sich für was Besonderes hielten.
    Und doch war da etwas in ihr – ein Gewissen? -, ein kleiner Funken Einsicht, der sich nicht vertreiben ließ und sie dazu
brachte, einen Schritt auf die Tür der Polizeistation zuzumachen, bevor die beiden sich wie ein Bollwerk hinstellten und es ihr verwehrten. Aber dann dachte sie an Kate, die beste von allen, die sie kannte, die tagsüber als Stenotypistin arbeitete und damit vollauf zufrieden war. Kate war nicht gern bei King’s Road Companions gewesen, wollte aber für später etwas beiseitelegen. Außerdem sorgte sie für eine alte Dame, die nicht mal verwandt mit ihr war, sondern nur eine Patentante oder so was. Wer schert sich schon um Patentanten? Aber so war Kate nun mal. Ihren Steno-Job liebte sie, weil er so stinknormal war. Es gefiel ihr, sich allmorgendlich in der U-Bahn durchrütteln und quetschen zu lassen, um schließlich in die »witzig-bunte Welt« (wie sie es nannte) von Piccadilly ausgespuckt zu werden. Kate hatte ihren Job gemocht, obwohl er ziemlich langweilig war. Keine Ahnung, wie sie das geschafft hatte. Aber wenn man es mochte, bekam womöglich selbst etwas Langweiliges einen gewissen Glanz.
    Sie überließ sich dem Gedanken ein Weilchen. Vielleicht steckte ja eine kleine Philosophin in ihr, dachte sie.
    Die beiden Bullen standen immer noch da und glotzten.
    Also drehte sie sich um und ging davon, in die Nacht. Längst vorbei waren die Zeiten, als London wegen der vielen Kohlenfeuer noch »The Smoke« genannt wurde. Doch es gab ihn noch, den schweren Dunst, der vom nahen Fluss hereinkroch.
    Viele von den Mädchen hatten vorerst aufgehört, als die Polizei gesagt hatte, sie wären vielleicht in Gefahr, in Anbetracht der beiden jüngsten Mordfälle. Ein Killer habe es speziell auf Escort-Damen abgesehen, und in den Zeitungen fiel sogar der Name Jack the Ripper.
    In der Newgate Street blieb sie stehen, um ein Riemchen an ihrer Sandale zu richten. Zum Laufen waren die Dinger nicht geeignet, aber sie hatte es ja nicht weit, nur bis zur St. Paulskathedrale. Ob ihr Typ es auf einmal mit der Religion hatte, überlegte sie sich. Zum Piepen.

    Sie hatten sich auf der Westseite der Kathedrale verabredet, und er hatte gesagt, falls sie vor ihm dort sein sollte, könnte sie sich ja schon mal auf dem Kirchhof auf eine Bank setzen und warten, gleich neben der Becket-Statue. Er verspätete sich jedes Mal, aber egal! Für die verpasste Zeit musste er in jedem Fall zahlen.
    Sie war weitergegangen, nachdem die Schuhe jetzt unter Kontrolle waren: wunderschöne Schuhe, schrecklich zum Laufen. Vor ihr ragte St. Paul’s in die Höhe, fast bedrohlich. Irgendwann müsste sie wirklich mal in die Flüstergalerie raufgehen. Ihr ganzes Leben wohnte sie schon in London, in Camden Town und Cricklewood, und hatte noch nicht mal ein Zehntel von dem gemacht, was Touristen machten.
    Er war noch nicht da, kein Wunder. Sie schlenderte auf den Kirchhof, fand die Statue – wer auch immer dieser Becket war, sie pflegten ihn jedenfalls nicht gut, denn es sah aus, als würde er da zwischen den Büschen gleich auseinanderfallen. Während sie die Statue betrachtete, ertönten plötzlich die Glocken. Sie erschrak vom Widerhall und hielt sich die Ohren fest zu. Neun Uhr. Noch fünf Glockenschläge.
    In das Getöse oder vielmehr darüber hinweg war eine Stimme zu hören: »DeeDee.«
    Deidre wandte sich um und erschrak wieder.
    Dann die Waffe. Dann ihr Schrei. Dann die Glocken.

39. KAPITEL
    Der unerschütterliche Detective Inspector Dennis Jenkins von Snow Hill wandte sich an Jury: »Wir hatten sie gleich. Sie war nämlich vorbestraft – vor vier Jahren, wegen Anschaffen in Shepherd Market. Deidre Small heißt sie. Ausweis war in der Tasche …« Jenkins deutete auf ein silbriges Schuppentäschchen, mittlerweile bei einem der Spurentechniker. Mehrere andere Kollegen waren auf Knien noch dabei, den Gehweg genau zu untersuchen.
    Deidre Small lag mittendrin auf dem Weg, ein kleines Schiff, das im eigenen Fahrwasser treibt.
    »Also wieder so eine Prostituierte von einem Escort-Service.«
    »Von derselben Agentur?«
    Jenkins schüttelte den Kopf. »Die hier nennt sich Smart Set. Klingt nach gehobenen Ansprüchen, nicht? Sind jedenfalls feinere Vögelchen – sorry für den Kalauer – als die

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