All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
Bordsteinschwalben. Obwohl Shepherd Market … na, wenn schon anschaffen, dann doch lieber gleich im feinen Mayfair, oder?«
Jurys Lächeln war nur angedeutet, fast entschuldigend, als hätte Deidre Small die Augen aufgemacht und ihn dabei ertappt.
»Gleiche Methode, so wie es aussieht. Aus nächster Nähe, in die Brust. Ob es die gleiche Waffe war, erfahren wir erst später. Muss so um neun herum passiert sein.«
Jury staunte. »Dann waren Sie aber schnell da. Es ist ja erst neun Uhr vierzig.« Vor zehn Minuten hatte es zur halben Stunde geläutet.
»Weil uns der, der sie gefunden hat, schnell verständigt hat. Dort drüben steht er – der Große mit der Halbglatze. War ihr
Freund oder Kunde, sollte ich vielleicht sagen. Er sagte, er war um neun hier mit ihr verabredet, hatte sich um sieben oder acht Minuten verspätet. Demnach hat er sie um neun Uhr sieben oder acht gefunden. Er muss den Killer nur knapp verpasst haben, mal angenommen, Deidre Small war pünktlich. War sie immer, behauptet er. Also, ich vermute, dass der Mörder sich das Glockengeläut zunutze gemacht hat« – Jenkins sah zum Glockenturm von St. Paul’s empor -, »um den Schuss zu dämpfen.«
In dem Moment drückte einer von den Tatortspezialisten Jenkins etwas in die Hand und entfernte sich.
Jury runzelte die Stirn. »Der Kunde hätte aber doch unvermittelt hereinplatzen können.« Er hielt inne. »Außer natürlich, er war es selbst.«
»Mein Instinkt sagt mir …« Jenkins blinzelte zu dem Mann mit der Halbglatze hinüber. »Nein. Der hat umgehend den Notarzt gerufen. Er hätte ja auch einfach weglaufen können und warten, bis jemand von den Leuten da die Leiche entdeckt.« Er deutete zu dem Grüppchen von Schaulustigen hinüber, die vom Absperrband und dem halben Dutzend Polizisten am Näherkommen gehindert wurden. »Andrerseits hatte er sich vielleicht gedacht, sein Name steht ja im Terminbuch, und er wird später geholt, wenn die Sache schon nicht mehr so gut für ihn aussieht. Trotzdem meine ich, nein, er war es nicht.«
»Wer es auch war, der muss ja ganz schön dreist gewesen sein. Das heißt, wenn er es nicht wusste.«
»Wenn er was nicht wusste?«
»Dass der Freund sich gewöhnlich verspätete.«
Jenkins sah Jury aufmerksam an. »Das würde heißen, es war jemand, der die beiden kannte.«
»Freunde von ihr? Freunde von ihm?«
»Er ist verheiratet. Kaum überraschend.«
»Eine eifersüchtige Ehefrau?«
Jenkins zuckte die Schultern. »Schon möglich. Kann auch sein, dass ihm jemand gefolgt ist. Oder ihr.«
Eine metallene Tragbahre wurde in einen Krankenwagen geladen.
»Ich werde mich mal mit dem Freund unterhalten, wenn Sie nichts dagegen haben.«
DI Jenkins spreizte die Hände, als wollte er sagen: Nur zu. »Nicholas Maze heißt er.«
Jury dankte ihm und ging zu der Bank hinüber, vorbei am Krankenwagen, der nun die Sirene einschaltete und unter Heulen davonfuhr.
»Nicholas Maze? Superintendent Jury, Kripo, New Scotland Yard, CID.«
»Hören Sie, wäre es möglich, dafür zu sorgen, dass diese Sache nicht in die Zeitung kommt?«
Darauf kommt es ihnen immer als Erstes an. Halten Sie meinen Namen da raus. »Schwer zu sagen. Es tut mir aber leid um Ihre Freundin. Wie lange kannten Sie sie?«
Nicholas Maze wirkte verlegen, eher verlegen als traurig. Den Kragen aufgeknöpft, die Krawatte zur Seite gezogen, aber immer noch eng um den Hals, sah er aus wie ein Mann, der gerade versucht hatte, sich zu strangulieren. »Über ein Jahr«, murmelte er.
»Dann haben Sie sich also schon oft getroffen?«
Ein Nicken, es wirkte eher wie ein nervöses Zucken. »Ein Dutzend Mal vielleicht, oder eher zwei Dutzend Mal. Es war, wie soll ich sagen, ein angenehmes Arrangement.«
Für dich vielleicht, dachte Jury. »Sind Sie verheiratet?« Wieder dieses marionettenhafte Nicken, ruckartig, als fiele ihm die Kopfbewegung schwer.
»Weiß Ihre Frau das mit dem Escort-Service?«
»Sie meinen, das mit DeeDee? Das ist doch lächerlich. Natürlich nicht.«
»Sind Sie sich sicher? Dass sie nichts ahnte?«
»Ja. Sie wusste nichts …« Nicholas Maze sah kurz zu Jury hinüber. »Ann? Sie glauben, meine Frau…?« Der Mann deutete
auf den Platz, »wäre dazu fähig?« Er lachte kurz. »Sie wäre die Letzte in London, die jemanden in rasender Eifersucht erschießen würde.«
»Was hat Ihnen Deidre Small von sich erzählt?«
»DeeDee? Mehr, als ich wissen wollte.«
Die frostige Antwort fand Jury befremdlich.
»Sie war eine Plaudertasche,
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