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All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman

Titel: All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martha Grimes
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stiller Eintracht dort stehen, wofür Jury dankbar war. Er verstand nicht so recht, was in ihm vorging, aber vielleicht hatte Schwester Whittey ja auf alle Leute diese Wirkung.
    Während sie ein wenig an der Bettwäsche herumzupfte, trat Jury ans Fenster und sah hinaus. Die Aussicht war anders und doch die gleiche. Er wandte sich um und sah, wie die Schwester die Orchideen arrangierte, die den farblosen Raum erstrahlen ließen. Die Rückkehr des Prometheus in der Sterblichen Jammertal.
    Er sagte: »Wissen Sie, dass es einmal eine große Schauspielerin namens Dame May Whitty gab? Der gleiche Name, nur anders buchstabiert.« Er lächelte sie an.
    »Aber ja, an die erinnere ich mich gut. Das war doch der Film,
wo sie im Zug war – und dann auf einmal verschwunden ist, nicht?«
    »Hitchcock.« Jury schaute aus dem Fenster, aus dem das gleiche Stück Landschaft zu sehen war wie aus Lus vorigem Zimmer. » Eine Dame verschwindet.«

46. KAPITEL
    Alice Dalyrimple.
    Wie konnte man eine Frau mit einem dermaßen viktorianisch altmodischen Namen wie Alice Dalyrimple als Escort-Dame ernst nehmen?
    »Miss Dalyrimple wird als Ihre Begleitung fungieren.« Alice Dalyrimple – überaus blasiert kam der Name aus dem Mund einer gewissen Miss Crick vom Smart Set Escort-Service, die mit dem Terminbuch betraut war. Melrose kam sich vor wie in einem Roman von Jane Austen.
    »Nun, Mr. Plant, ich bräuchte noch einige Auskünfte. Wie lautet Ihr Vorname?«
    Wieso, fragte sich Melrose, hatte er eigentlich seinen richtigen Nachnamen angegeben? Männer, die die Dienste einer Escort-Agentur in Anspruch nahmen, taten das bestimmt nicht. Wenigstens einen Vornamen konnte er also erfinden: »Algernon. So heiße ich mit Vornamen.« Von Jane Austen zu Oscar Wilde.
    »Algernon. Sehr gut.«
    Musste der Name etwa ihre Zustimmung finden?
    »Und dann wollten wir uns auch noch auf einen Treffpunkt einigen.«
    In Gedanken spielte er diverse Örtlichkeiten durch, vom Hole in the Wall, dem Pub unter der Waterloo Bridge, bis zum Buckingham Palace, wo er sich ausmalte, er würde Miss Dalyrimple der Queen vorstellen. Mitten in diesen fruchtlosen Gedanken sah Melrose sich unter den paar phlegmatisch herumsitzenden alten Herren in unterschiedlichen Schlummerzuständen
um, und beschied ihr: »Hier bei Boring’s, meinem Klub in Mayfair.«
    »Oh! Und das wird von dem Klub gestattet, ja?«
    Miss Cricks Frage war der erste Hinweis darauf, dass ihm klar sein musste, dass Smart Set nicht in Burkes Adelsverzeichnis gelistet sein würde. Er fühlte sich ermutigt, es wortreich weiter auszuführen: »Aber natürlich. Ja, wir sind hier eine sehr offene und hellwache Gesellschaft.« Dies entschied er, nachdem einer der alten Männer sich gerade aus dem Koma geschnieft und geschnüffelt hatte. Weniger wach als dies wären nur noch die Sarggruften in Westminster.
    »Ja«, begann er, »sie braucht bloß …«
    »Miss Dalyrimple?«
    Ah! Hatte er mit seinem übermäßig vertraulichen Gebrauch des Wörtchens »sie« etwa schlechte Escort-Manieren an den Tag gelegt? »Miss Dalyrimple braucht sich bloß am Empfang zu melden. Die verständigen mich dann.«
    »Ach so. Sie werden nicht persönlich an der Tür sein?«
    Bloß wenn ich der Pförtner bin. »Ich werde im Klubraum weilen.«
    »Und könnte ich jetzt bloß noch Ihre Kreditkartennummer verifizieren?«
    »Ich glaube, die habe ich schon jemandem gegeben.«
    »Mir aber nicht.«
    Herrje, sagen sie das nicht immer bei der Polizei, wenn einer einwendet, man würde ihm ständig die gleichen Fragen stellen? Die Frau sollte bei der Metropolitan Police anheuern.
    »Ich dachte eigentlich, die Bezahlung würde am Ende erfolgen.«
    »Das ist wahr. Es ist nur für den Fall des Falles, wissen Sie.«
    Für welchen Fall denn? Ein Herzinfarkt mitten im Geschehen? Oder falls Miss Dalyrimple feststellt, dass sie nicht in einem exklusiven Herrenklub, sondern in einem Tätowiersalon gelandet ist? Oder falls London von Rattenströmen überrannt
wird? Er zog seine Brieftasche hervor, blätterte sein Häufchen Karten durch und las ihr die Nummer vor. Sodann verabschiedeten er und Miss Crick sich voneinander.
    Und nun saß er also in den verschlafenen Gefilden von Boring’s, versuchte, sich zur Lektüre eines Buches zu zwingen, und wartete auf Miss Dalyrimple. Sie würden hier zu Abend essen, erst Drinks und dann Dinner. Einen ruhigeren Ort für ein Gespräch über die Morde gab es nicht. Es beschäftigte sie doch sicher, dass Escort-Girls ermordet

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