All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
und Angelpunkt sind die Schuhe.«
Zum ersten Mal seit Tagen musste Jury herzhaft lachen. »Sagen Sie ihr, ich kann jemanden bei Jimmy Choo vorbeischicken, der soll sich mit dem mal unterhalten.«
»Und bei Louboutin, dem mit den roten Sohlen. Diese Schuhe sehen aus, als wären sie in Blut hineingetreten.«
Als Edna Cox ihm diesmal öffnete, wirkte sie etwas weniger abgespannt. Sie schien merkwürdigerweise erfreut, Jury zu sehen, vielleicht weil er einer der wenigen war, die sie noch mit Mariah verbanden. Er hoffte, er war nicht der Einzige.
Er bekam eine Tasse Tee serviert und begann erst von ihrer Nichte und den anderen Opfern zu sprechen, als sie sich in Ruhe zu ihm gesetzt hatte.
»Die beiden anderen Frauen, Mrs. Cox – Deidre Small und Kate Banks -, können Sie mit diesen Namen etwas anfangen?«
Sie verneinte kopfschüttelnd. Auf einer rostroten Ottomane lag eine Zeitung, die gleiche, die Cummins zuvor Jury gezeigt hatte. Edna Cox nahm sie zur Hand. »Nein. Sie habe ich aber schon mal irgendwo gesehen.« Wie Cummins vorhin, drehte sie die Zeitung so, dass Jury es sehen konnte und tippte mit dem Finger auf das Foto von Rosie Moss. »Adele Astaire heißt die, steht hier.« Hmpf!, machte sie leise, ungläubig.
Jury war überrascht. »Wo haben Sie sie gesehen? Ich dachte, Sie kennen nur ihren Namen.«
»Das stimmt. Ich habe diese Mädchen wirklich noch nie gesehen. Ich meine, die Fotos. Nein, Adele Astaire ist nicht der richtige Name, genauso wie Stacy Storm. Man sollte meinen« – eine Pause für ein Schlückchen Tee -, »sie würden sich was Besseres einfallen lassen, finden Sie nicht?«
Jury fand es besser, ihr jetzt nicht mit Adeles richtigem Namen nachzuhelfen. »Diese Adele Astaire – wissen Sie noch, wo Sie sie gesehen haben?«
Sie stellte ihre Tasse ab und war bereit, wirklich angestrengt nachzudenken. »Seit ich das Foto gesehen habe, versuche ich schon die ganze Zeit, mich wieder darauf zu besinnen.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber es kommt nicht.«
»Könnte es sein, dass sie einmal hier war, in Chesham, meine ich, zusammen mit Mariah?«
Edna Cox kniff die Augen zu, als wollte sie ihrer Erinnerung den letzten Tropfen abpressen. »Nein. Nein, sicher nicht. Wenigstens habe ich sie hier nicht gesehen.«
Jury wartete ab, doch als sie nicht fortfuhr, sagte er: »Ihr richtiger Name ist Rose Moss. Sagt Ihnen das etwas?«
Edna senkte nachdenklich den Kopf, um entweder ihre Hände im Schoß zu betrachten oder aber die Strauchröschen auf dem Teppich zu ihren Füßen. Dann legte sie den Kopf ein wenig schief, als versuchte sie, einen undeutlichen oder weit entfernten Ton zu erlauschen. Da fiel es ihr ein. »Der Film! Ich erinnere mich, vor langer Zeit gab es mal einen Film, den habe ich mir mit meiner Schwester, Mariahs Mum, angeschaut, als sie noch in London wohnten. Mariah hatte uns wohl darüber reden hören, denn sie lachte und sagte irgendwas von wegen, komisch, der Filmtitel sei ja verkehrt herum. Der hieß nämlich Moss Rose . Das fand sie sehr komisch.«
»Glauben Sie, sie kannte eine Rose Moss?«
»Na, vielleicht war es eine Schulkameradin. Mariah war damals nicht älter als acht oder neun, glaube ich. Aber Sie haben doch bestimmt mit dem Mädchen gesprochen? Was hat diese Moss denn gesagt? Hat sie Mariah wiedererkannt?«
»Sie kannte sie als Stacy Storm. Als ich ihr den richtigen Namen nannte, sagte sie aber nicht, dass sie Ihre Nichte kennen würde.«
Edna Cox stützte den Kopf auf, die Hand um ein Taschentuch geballt. Eine Träne rollte ihr langsam übers Gesicht. »Dass
meine Mariah sich so einen Namen ausdenkt. Ein trauriger Name, nicht? Der klingt so falsch. So falsch nach Filmstar, oder? Meine Mariah.«
Verständlich, dass Edna Cox sich so auf den Namen fixierte statt auf die gesamte Scharade. Verdrängung, vermutete er, war ihre letzte Zuflucht. »Was glauben Sie, wieso Mariah sich so sehr bemühte, hm, unscheinbar zu wirken, wo sie doch offensichtlich auffallend schön war?«
Oder war die auffallende Schönheit, das Escort-Girl, die echte Mariah?
War überhaupt eine dieser Identitäten echt? Oder keine von beiden?
Edna Cox schüttelte den Kopf. »Als Kind war sie hübscher. Irgendwie wurde sie dann immer unscheinbarer. Sie war schon damals recht still, meckerte nie, war ein bisschen antriebslos. Dieses andere Ich – woher das kam, weiß ich auch nicht.«
»Sie hatten bestimmt keinen Grund zu der Annahme, aber könnte es sein, dass sie unter einer seelischen
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