All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
geredet.«
»Nun ja, dann eben als Arbeitskollegin. Im selben Gewerbe.«
Ihr Akzent war ein wenig rau, ein wenig näselnd, weitab von Chelsea oder Knightsbridge, vielleicht eher Brixton. Mit »Gewerbe« konnte sie bestimmt etwas anfangen.
»Ja, okay. Könnte man so sagen. Wir haben zusammengearbeitet, für die gleiche Firma.«
»Für Valentine’s?«
Sie zuckte die Achseln. »Ja. Kann ich sonst nichts dazu sagen, bloß dass sie die Mädchen immer fair behandeln. Ich arbeite da schon seit Jahren.«
»So alt sehen Sie aber nicht aus.«
»Was glauben Sie, wie alt ich bin?« Sie drückte ihre Zigarette aus.
»Zwanzig?«, riet Jury großzügig.
Das kam besser an als ein ganzes Dutzend Rosen. »Sie sind gut. Einunddreißig Jahre bin ich alt.«
Und das war sie auch. Die Augen verraten es immer. In ihren lag eine Art Seichtheit, Ausdruckslosigkeit, Überdruss. »Mein Gott, Rosie. Wo ist dieser Jungbrunnen? Von dem Zeug könnte ich ein Glas voll gebrauchen.«
Nun hatte er sie bestimmt auf seiner Seite. »Ach, ich weiß nicht. Sie sehen doch ganz okay aus.« Sie sagte es ein wenig kokett und ließ dabei ein Bein vom Sofa gleiten.
Bevor gleich ein ausgewachsener Flirt in Gang kommen konnte, sagte er: »Und wie stand Stacy zu ihrem Job? Hat sie mal einen von den Männern erwähnt, mit denen sie ausging?«
Rosie beugte sich vor und schüttelte wieder eine Zigarette aus einem Päckchen, zündete sie an, erinnerte sich dann an ihre guten Manieren und schob Jury das Päckchen hinüber.
»Nein, danke.« Alle Welt rauchte, schien es Jury, außer ihm,
Dora und Harrys Hund Mungo. Wobei er für Mungo nicht die Hand ins Feuer legen würde.
Sie zog sich einen Blechaschenbecher her, auf dem für ein Pub namens »Batty’s« geworben wurde, oder vielleicht war es auch ein Bier. »Ihre Namen hat sie mir jedenfalls nie verraten.«
»Wessen Namen?«
»Da war dieser eine Typ, den sie wirklich mochte, mit dem ist sie eine Zeitlang gegangen – ich meine, außer der Reihe. Äh, das sollen wir nämlich eigentlich nicht machen.«
»War es ihr denn ernst mit ihm?«
Rosie wandte den Blick ab und schaute aus dem Fenster hinter ihnen. »Nicht so richtig. Ich glaube, sie mochte ihn einfach lieber als die anderen.«
»Hat sie ihn beschrieben? Haben Sie eine Ahnung, wie er aussieht?«
Sie schüttelte den Kopf. »Bloß, dass er gut aussieht, mehr nicht. Er hat ihr Sachen gekauft. ›Wie ein Prinz‹, sagte sie mal.«
Eine Aschenputtel-Geschichte in Jimmy Choo-Schuhen? Oder die Geschichte von Schneewittchen, die Männer dabei immer charmant, gut aussehend, reich? Die Frauen immer in höchster Gefahr? Er konnte sich nicht vorstellen, dass einer der Kunden von Valentine’s das Zeug zum Märchenprinzen gehabt hätte. Ein Märchenprinz wäre ja auch nicht auf Valentine’s angewiesen gewesen.
»Komisch war bloß, dass der wollte, dass sie ganz bestimmte Sachen anzieht und sich die Haare anders macht.«
»Wie meinen Sie das?«
»Stacy dachte, es müsste was mit seiner Vergangenheit zu tun haben. Er wollte, dass sie sich die Haare rot färbt. Also hat sie’s gemacht. Oder besser gesagt, ich.«
»Sie haben es gemacht?«
»Ich war nämlich mal Stylistin. In dem total schicken Laden da in Bayswater. Färben kann ich echt gut. Schminken auch.«
»Soll das heißen, Sie haben ihr jedes Wochenende die Haare gefärbt?«
Sie nickte. »Die Intensivtönung, die ich nehme, greift das Haar nicht so an. Ihr echtes Haar war aber fast dunkelbraun, und aus dem Kupferton wieder Braun hinzukriegen, ist ganz schön happig. Da muss man ein Aschbraun nehmen, damit es der Ton wird. Ihre Kleider, also die hat wohl meistens er bezahlt. Die Schuhe allein kosten schon sieben- bis achthundert Pfund.« Rosie streckte ein Bein aus und schob den Puschelschlappen auf und ab. »Ich hab mir ein Paar Christian Louboutins besorgt, spottbillig beim Second Hand. ›Zweiter Anlauf‹, heißt der.«
Jury hatte das Gefühl, dass Rosie einen solchen öfters brauchte. »Wie funktioniert das eigentlich? Wie treffen Sie sich mit den Kunden?«
»Blanche ruft uns an – also, Blanche Vann, hab ich das schon gesagt? – und sagt uns, wer der Kunde ist und wo wir den treffen sollen. Der hat dann schon bezahlt. Falls es zwischen mir und ihm um Geld geht, dann nur um Trinkgeld.«
»Und was ist mit Ihnen? Haben Sie auch mal so einen kennengelernt? Wie den von Stacy?«
»Ha! Das ist wohl kaum drin.« Wieder kringelte sie eine Haarsträhne um den Finger, drehte sie zusammen und
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