All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
Handy ein.
Als er Ondine von dem graugeflügelten Paar befreit sah, ging Jury an den Tresen hinüber. »Ondine.«
Mit einem neckischen Lächeln sah sie hoch.
»Wie hat Stacy Storm das Kleid bezahlt?«
Ondine griff sich einen großen schwarzen Ordner, schlug ihn auf und fuhr mit dem rot lackierten Fingernagel die Spalten auf und ab. »Per Barclaycard.«
»Sie muss ja einen ganz schön üppigen Kreditrahmen gehabt haben.«
»Keine Ahnung, es ging aber durch.«
»Na gut. Dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Sie haben mir immens geholfen, Ondine.« Er überreichte ihr seine Karte. »Wenn Ihnen noch irgendwas einfällt…«
»Wie zum Beispiel mein Name.« Breites Lächeln. »Mach ich bestimmt.«
Wie sie kokettierte!
»Ich habe eine Freundin, die in dem schwarzen Kleid da im Fenster ganz hinreißend aussehen würde.«
Wieder flüsterte Ondine: »Sagen Sie ihr, sie soll mal vorbeischauen. Ich kann ihr vielleicht einen sehr schönen Preis machen.«
»Das werde ich tun«, flüsterte Jury zurück.
Der Portier oder Wachmann oder Begrüßer an der Tür informierte sie in frostigem Ton, das Geschäft würde soeben schließen.
»O nein, tut es nicht.« Jury hielt seinen Dienstausweis in die Höhe und schob sich an dem Mann vorbei in die hellen, strahlenden Gefilde von Jimmy Choo.
Woraufhin der Mann umgehend ging und jemanden holte, eine geschmeidig aussehende Frau, die sich, die Füße überkreuzt, die Hände umgekehrt vor sich verschränkt, vor Jury aufbaute. Diese schwierige Pose wirkte bei ihr ganz natürlich, und Jury fragte sich, ob sie vielleicht früher einmal Model gewesen war. Models schienen in der Lage, alle möglichen ungewöhnlichen und äußerst unbequem aussehenden Haltungen zustande zu bringen.
In dem klaren, schlichten Innenraum ohne jeden Schnickschnack konnte Jury sich ein Bild davon machen, wie teure Konsumgüter präsentiert wurden. Ganz anders nämlich, als er dachte. Die kunstvoll arrangierten, schmucksteinbunten Schuhe standen in kleinen Nischen, die die Wände ganz bedeckten, und in der kathedralenartigen Stille des Ladens musste er unweigerlich an Bleiglasfenster denken.
Diese Schuhe wirkten unsäglich opulent und gleichzeitig luftig-leicht. Wie Kunstwerke waren sie in ihren beleuchteten kleinen Wandnischen ausgestellt. Zu Recht, dachte Jury bei der Betrachtung einer Sandale in Metallic-Silber, über die gesamte Ristlänge mit Schmucksteinchen verziert. Oder einer aus silbernem Schlangenleder mit extra hohem Absatz und über den Knöchel hochrankenden Riemchen. Oder jenem Modell in Glitzerleder mit schmalen, raffiniert ineinander verschlungenen Riemchen. Die Sorgfalt im Detail, mit der diese Sandalen gearbeitet waren, war bemerkenswert. Wiggins schien wie gebannt davon zu sein. Er stand so dicht an der Wand, dass er praktisch mit den Schuhen verschmolz.
Nach kurzer Überlegung wandte Jury sich an die Verkäuferin:
Ob sie sich an eine Frau erinnern könne, die die Schuhe auf dem Foto gekauft hatte, das er ihr hinhielt, vor einer Woche vielleicht? Nachdem sie das Kleid gekauft hatte, vermutete er, war Mariah vielleicht gleich über die Straße zu Jimmy Choo gegangen.
Er hatte recht. Der Einkauf sei getätigt worden, an einen Telefonanruf könne sie sich allerdings nicht erinnern. Ja, sie habe mit einer Barclaycard bezahlt.
Er ging zu Wiggins hinüber. »Überlegen Sie gerade, ob Sie ein Paar kaufen für diese Cousine in Manchester?«
»Können vor Lachen! Haben Sie gesehen, was die Dinger kosten? Das wäre …« Sein Handy piepte, er klappte es auf, meldete sich mit Namen, lauschte. Dann bedankte er sich bei dem Anrufer. »Das war Cummins. Simon Smith ist vermutlich Simon Santos. Er kennt Timothy Rexroth von der Arbeit in der City. Simon macht Fusionen und Aufkäufe. Und wir haben Glück. Er wohnt gleich hier um die Ecke.« Wiggins deutete in die betreffende Richtung. »Pont Street, die Nummer habe ich. Soll ich anrufen?«
Jury sah auf die Uhr. Es war beinahe sechs, eine gute Zeit für einen Drink vor dem Abendessen. Vielleicht entspannte sich Simon Santos ja gerade bei einem – von seiner wie auch immer gearteten Tätigkeit im Finanzdistrikt. »Nein, wir wollen ihn überraschen.«
18. KAPITEL
Er kam mit einem Drink in der Hand an die Tür, allem Anschein nach Whisky, in einem Stumpenglas aus Bleikristall, das, seinem Anschein nach, einhundert Pfund gekostet hatte. Man war hier immerhin in der Pont Street, wenige Schritte entfernt von Beauchamp Place und Harrods, hoch
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