All die schoenen Toten - Ein Inspektor-Jury-Roman
Küche rumoren hörte und Mrs. Tobias’ Stimme ertönte. Wahrscheinlich war Schrödinger gerade auf die Anrichte gesprungen, um von dem Essen zu stibitzen. Noch mehr Getöse.
Schnell!, sagte er zu Morris. Versteck dich!
Morris sprang vom Fensterplätzchen und glitt geschmeidig unter den Schreibtisch. So ist das bei Katzen, dachte Mungo bei sich, blitzschnell sind sie. So schnell, dass sie die Zeit zum Schrumpfen und sogar Uhren zum Rückwärtsgehen kriegen können.
Seine kleine philosophische Betrachtung wurde von Shoe unterbrochen, die aus der Küche kam und einen Räucherhering im Maul hatte. Quer wie ein Piratenmesser hielt sie ihn mit den Zähnen fest.
Mrs. Tobias folgte der Katze dicht auf den Fersen und schwang eine Bratpfanne durch die Luft.
Schrödinger flitzte quer durchs Wohnzimmer und verschwand dann irgendwo.
Mungo gefiel die kleine Verfolgungsjagd. Es war so hanebüchen, er hatte es immer wieder mal im Comic-Heftchen gesehen.
»Wo steckt das elende Vieh?«, kam es aus dem Hausflur. »Eines Tages bringe ich dich um.« Mrs. Tobias schrie die Treppe hinauf: »Dann fliegst du im hohen Bogen raus, Fräuleinchen,
und zwar schneller als du einen Hering mopsen kannst!« Sie stürmte wieder ins Wohnzimmer, sah Mungo an der Küchentür sitzen und schwenkte erbost die Bratpfanne. »Hat einen von meinen Räucherheringen gemopst, diese Shoe, das Abendessen von deinem Herrchen hat sie geklaut!«
Herrchen? Wen wollte sie hier eigentlich auf den Arm nehmen?
»Wo steckt er denn bloß, möchte ich wissen? Es ist schon halb acht vorbei, und er ist immer noch nicht zum Essen da?« Sie brummte irgendetwas und marschierte wieder ab in die Küche.
Mungo wusste, dass irgendwas im Busch war mit der Katzentransportkiste, etwas Unangenehmes. Aber für wen? O nein, für ihn nicht. Obwohl er sich manchmal schon fragte, wie er es bei Harry bloß so lange ausgehalten hatte, ohne geschlagen oder getreten zu werden oder noch Schlimmeres zu erleiden. Keine falsche Bescheidenheit, ermahnte er sich. Tatsache war aber: Harry würde genauso wenig eine Katze zum Tierarzt bringen wie einen behinderten Orang-Utan adoptieren. Und schon gar nicht würde er Schrödinger selber irgendwo hinschaffen. Was ging also vor sich?
Mungo hob den Kopf und sah Shoe hochzufrieden die Treppe herunterkommen. Sie bedachte Mungo mit einem fiesen Blick und ging dann ins Musikzimmer, um nach den Kätzchen zu sehen. Da. Da. Da. Da. Da. Eines fehlte! Sie sauste ins Wohnzimmer, suchte die Verstecke nacheinander ab, entdeckte Elfchen im Kohlenkasten und zog ihn heraus. Dann trug sie ihn ins Musikzimmer, ließ ihn in die Schublade fallen und stolzierte hüftenschwingend zu ihrem Lieblingsplätzchen unter dem kleinen Sofa neben dem Schreibsekretär hinüber, wo sie prompt in einen ihrer typischen Komazustände verfiel.
Mungos Blick wanderte zwischen Schrödinger und dem Transportbehälter hin und her, hin und her. Dann hatte er es! In ein paar großen Sätzen war er wieder am Schreibtisch und befahl Morris hervorzukommen.
Da ist was im Busch.
Was denn?, fragte Morris.
Ich glaube … Er musterte Morris’ blaues Halsband, und da fiel bei ihm der Groschen. Mach das ab! Weil Morris bloß verdattert guckte, haute Mungo auf das Band, biss dann ins eine Ende und zog es vom Klettverschluss ab. Dann sauste er ins Musikzimmer, schlich sich ans Sofa, vergewisserte sich, dass Schrödinger auch wirklich schlief und ließ das Bändchen neben den Kopf der Katze fallen. Schrödinger würde nicht aufwachen, nicht mal, wenn es eine Handgranate wäre, mit gezogenem Zünder. Mungo machte kehrt, flitzte zum Sekretär, schnappte sich wieder Elfchen und trottete quer durch den Hausflur ins Wohnzimmer, als auch schon die Tür aufging.
Mrs. Tobias hatte Harry offenbar ebenfalls kommen hören und schoss wie ein kleines Schlachtross aus der Küche, dabei redete sie ohne Unterlass. »Da sind Sie ja, Mr. Johnson. Jetzt will ich Ihnen mal sagen, was dieses Katzenvieh …« Draußen im Flur senkte sich die Stimme, und ihr Gezänk war nur noch leise zu vernehmen.
Mungo ließ Elfchen fallen. Tu so, als wärst du ausgerastet, flüsterte er Morris zu.
Warum?
Na los, mach es einfach!
Während Elfchen wegrannte, vorbei an Harry und Mrs. Tobias, zischte und fauchte Morris und stieß ihre Krallen wie wild in die Luft um Mungos Kopf.
Mungo hörte, wie er zu Mrs. Tobias sagte, nicht schlimm, er wolle sowieso auswärts essen. An Morris gewandt, sagte Harry: »Du hast also mein Abendessen
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