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Alle jagen John Mulligan

Alle jagen John Mulligan

Titel: Alle jagen John Mulligan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
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etwas Näheres zu erfahren, war er jetzt fest entschlossen. Das aber mußte auf andere Art geschehen als durch einfache Fragen.
    Tolmer hatte in Adelaide einen Polizeisoldaten, Borris, auf den er sich in jeder Hinsicht verlassen konnte. Borris war noch ein junger Mann, aber in seinem Fach, in dem er schon seit sechs Jahren tätig war, ausgezeichnet und außerdem erst seit ganz kurzer Zeit von Sydney hierher versetzt, also jenen Verbrechern noch völlig unbekannt.
    Sein Plan war bald gemacht. Borris sollte als gewöhnlicher Bündelmann [ So heißen in Australien die Leute, die Arbeit suchend im Lande umherziehen. Da sie natürlich kein großes Gepäck mitnehmen können und ihr Eigentum meist immer in einem kleinen Bündel auf der Schulter tragen, hat man ihnen diesen Namen gegeben. Die meisten sind entweder entlassene Sträflinge oder solche, die mit einem Ticket of leave, d. h. Urlaubsschein, die Erlaubnis haben, sich selbst ihr Brot zu verdienen. Ein solches Ticket bekommen natürlich nur die, die den größten Teil ihrer Zeit schon verbüßt und sich dabei musterhaft geführt haben] zur Känguruh-Insel hinübergehen und dort als Schäfer oder Hüttenwächter oder was immer Beschäftigung bei Mr. Lindsay, und wenn das nicht anginge, ganz in der Nachbarschaft suchen. Dort blieb es ihm dann selbst überlassen, alle möglichen und nützlichen Erkundigungen über seine Nachbarschaft einzuziehen; und wußte er, was er wissen wollte, so konnte er wieder nach Adelaide herüberkommen und Bericht erstatten. Tolmer warnte ihn aber besonders davor, einen Brief zu schreiben, wenn sich nicht eine sichere Gelegenheit fand, ihn zu befördern. Das Schreiben an und für sich war überdies schon gefährlich, denn wurde er dabei von irgend jemandem gesehen, so mußte Verdacht gegen ihn rege werden. Ein ordentlicher und richtiger Bündelmann kann nie mehr schreiben als höchstens seinen Namen - und selbst den nicht immer.
    Borris war übrigens klug und gewitzt genug, in dieser Hinsicht völliges Vertrauen zu verdienen. Er wußte, was man von ihm verlangte, und das genügte; das Weitere besorgte er schon selbst.
    Mr. Lindsay blieb noch einige Tage in Adelaide; Borris benutzte die Zeit, seine nötigen Einrichtungen zu treffen, und schiffte sich dann, mit einem Ticket of leave, das ihm Tolmer ausfertigen ließ, versehen, nach seinem Bestimmungsort ein. Mit einem solchen Ticket wurde er von allen Ansiedlern geduldet, und bei der Menschenklasse, unter der er sich besonders umsehen sollte, galt es als vollständiger Freipaß, ihm unbedingt zu vertrauen - war er doch einer der Ihrigen.
    Borris war damit spurlos aus Adelaide verschwunden, denn drüben auf der Insel nannte er sich, der Verabredung gemäß, Jack, und Monat um Monat verging, ohne daß Tolmer wieder etwas von ihm gehört hätte. War ihm am Ende gar ein Unglück zugestoßen? - Hatte er sich verraten oder ihn jemand doch erkannt? - Tolmer wurde schon unruhig und dachte daran, einen zweiten Boten hinüberzusenden, um Gewißheit über das Schicksal des ersten zu bekommen. Das war aber nicht nötig.
    Eines Morgens trat Borris in seiner Buschtracht, wie er eben ankam, in Tolmers Zimmer, und die beiden blieben dort mehrere Stunden in eifrigem Gespräch.
    Das Resultat seiner Entdeckungsreise war auch insofern günstig, als es die Gewißheit brachte, daß auf der Insel eine Anzahl verdächtiger Individuen lebte. Ob es nun gerade jene Verbrecher waren, deren Spur Tolmer schon so lange vergebens verfolgt hatte, war schwer zu bestimmen. Die Beschreibung des einen von ihnen, der einen gewissen Einfluß auf die übrigen auszuüben schien, paßte aber recht genau auf den verwegensten der Flüchtlinge, einen gewissen John Mulligan, dem man damals besonders auf der Spur gewesen war; und hielt sich dieser jetzt dort drüben versteckt, so hatte er auch seine Kumpane sicher in der Nähe. Jedenfalls war es der Mühe wert, jene Gesellen auszuheben und zur Rechenschaft zu ziehen, denn sie brandschatzten in neuerer Zeit wieder die Stationshalter, töteten von den Herden, was sie für ihren eigenen Bedarf brauchten, ohne sich viel um irgendein Eigentumsrecht zu kümmern, und hatten sogar neulich einen Einbruch auf einer Station versucht - allerdings ohne Wissen und, wie Borris behauptete, gegen den Willen ihres Führers, der klugerweise alles vermied, was die Aufmerksamkeit der Regierung auf sie lenken konnte.
    Tolmer selbst war damals noch nie auf der Känguruh-Insel gewesen und kannte das Terrain gar

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