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Alle lieben Emma

Titel: Alle lieben Emma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja von Vogel
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Kinder endlich mal eine ausgewogene Ernährung. Ich hab mich leider immer viel zu wenig darum gekümmert.«
    Ich fand Gesas ausgewogene Ernährung nicht besonders toll. Statt Nutellabrot gab es morgens jetzt Körnermüsli mit Jogurt. Abends aßen wir Salat mit Sojasprossen, selbst gebackenes Brot (auch mit Körnern) und kiloweise Gemüse.
    Aber was das Schlimmste war: Das Süßigkeitenfach in der Speisekammer war jetzt immer leer. Gesa fand es nämlich besser, wenn wir zwischendurch Obst statt Schokolade oder Gummibärchen aßen. Deswegen war die Obstschale auf dem Küchentisch auch immer randvoll. Und das blieb sie auch, weil außer Gesa und der Nebelkrähe niemand von uns so viel Obst aß.
    »Vergiss deinen Apfel nicht, Mona Lisa«, sagte Gesa nach jeder Mahlzeit. Und dann nahm sich die Nebelkrähe immer brav einen Apfel und biss hinein. Ich wunderte mich, dass ihr die vielen Äpfel nicht zu den Ohren wieder herauskamen. Einmal hab ich allerdings gesehen, wie sie ihren Apfel hinterher an Stinki verfüttert hat. Vielleicht wurde es sogar ihr manchmal zu viel mit dem ganzen Obst. Dabei war sie daran gewöhnt.
    Am Ende der ersten Ferienwoche hatte ich das Gefühl, jeden Moment verrückt zu werden. Mona hatte nachmittags zwei Stunden lang »Das Wandern ist des Müllers Lust« auf der Flöte geübt, sodass ich am liebsten auch ein Müller geworden und ausgewandert wäre – und zwar so weit weg wie möglich. Schließlich war ich in den Garten geflüchtet.
    Ich saß auf der Schaukel herum und langweilte mich, als ich ein merkwürdiges Geräusch hörte. Es klang wie ein Brummen. Oder wie ein tiefes Surren. Hatten wir etwa ein Wespennest im Garten? Ich sprang von der Schaukel und lauschte. Das Geräusch schien von den Apfelbäumen her zu kommen. Vielleicht hatten sich die Wespen in einem Astloch eingenistet. Vorsichtig schlich ich zur Apfelwiese. Das Brummen wurde immer lauter. Aber es war weit und breit keine Wespe zu sehen. Da merkte ich, dass das Brummen gar nicht von den Apfelbäumen kam. Es kam aus dem Atelier. Die Fenster standen offen und das Brummen schwebte zu mir herüber. Ich schlich auf Zehenspitzen zu einem der Fenster und schaute hinein.
    Ich sah Mama und Gesa. Sie saßen im Schneidersitz auf dem Fußboden und machten nichts. Sie saßen einfach nur da. Ihre Augen waren geschlossen, aber sie schliefen nicht. Denn dann wären sie ja umgefallen. Vor ihnen standen ein paar brennende Teelichter und es roch nach Orange.
    Das Brummen erfüllte den ganzen Raum. Es war so tief, dass die Luft zitterte. Ich wusste erst nicht, wo es herkam. Es schien von überall gleichzeitig zu kommen. Dann sah ich, dass Mama und Gesa ihre Münder bewegten. Sie machten sie ganz langsam auf und zu, wie Fische auf dem Trockenen. Aber die beiden alleine konnten doch nicht so ein Gebrumm veranstalten, oder?
    Mir kam das Ganze plötzlich unheimlich vor. Ich wollte, dass das Brummen aufhörte.
    »Hallo?«, rief ich durchs Fenster.
    Meine Stimme klang ein bisschen piepsig. Mama und Gesa reagierten nicht. Vielleicht waren sie ja verrückt geworden oder so was.
    »Hallo!«, rief ich noch einmal, diesmal etwas lauter.
    Jetzt machte Mama die Augen auf und sah mich an. Ich winkte und sie winkte auch. Ein Glück, sie wirkte nicht verrückter als sonst.
    »Was macht ihr da?«, rief ich.
    »Wir meditieren!«, rief Mama zurück.
    Das Brummen war immer noch ziemlich laut. Jetzt öffnete auch Gesa die Augen. Sie stand auf und ging zu einem Kassettenrekorder, der zwischen ein paar Teelichtern in der Ecke stand. Komisch, den hatte ich noch gar nicht bemerkt. Gesa schaltete ihn aus und das Brummen hörte auf.
    »Was war das denn für ein Brummen?«, fragte ich.
    »Tibetanische Mönche«, sagte Gesa.
    »Aha«, sagte ich.
    Ich verstand kein Wort.
    »Beim Meditieren leert sich der Geist«, erklärte Gesa. »Du wirst dann ganz ruhig, verstehst du?«
    Ich nickte. Aber so richtig verstand ich es nicht.
    »Und wozu ist das Brummen gut?«, fragte ich.
    Ich hatte keine Ahnung, wie man bei dem Gebrumm ruhig werden konnte. Das war doch viel zu laut!
    »Dann kannst du dich besser konzentrieren«, sagte Gesa.
    »Aha«, sagte ich wieder.
    Komisch, dass man sich bei so einem Lärm besser konzentrieren konnte. Dann fiel mir ein, dass ich ja auch oft bei den Hausaufgaben Musik hörte. Oder Radio. Damit es nicht so langweilig war. Aber dann schimpfte Mama immer. Ha, dachte ich, das nächste Mal sage ich ihr einfach, dass ich mich bei Lärm viel besser konzentrieren

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