Alle lieben Emma
wie eine Nebelkrähe.
»Hallo!«, rief sie und winkte Mama und Tim zu, obwohl die beiden direkt vor ihr standen. »Toll, dass wir jetzt bei euch wohnen! Wo ist denn Emma?«
»Hallo, Mona«, sagte Mama. »Emma ist oben, sie kommt bestimmt gleich. Du wohnst übrigens bei ihr auf dem Dachboden.«
»Klasse! Dann bring ich schon mal meine Sachen rauf.«
Mona öffnete die Schiebetür an der Seite des Busses und holte einen großen Seesack und einen noch größeren silbernen Käfig heraus. Ich stöhnte. Monas fettes Kaninchen! Das hatte ich total vergessen. Wollte sie den stinkenden Käfig etwa auch in mein Zimmer schleppen? Mir blieb aber auch wirklich nichts erspart!
Ich setzte mich in die Hängematte, die Papa an zwei Dachpfosten befestigt hatte, und sah mich wehmütig in meinem Zimmer um: der helle Holzfußboden mit dem bunten Flickenteppich, mein Bett unter der schrägen Wand, mein roter Schreibtisch, den man unter all den Büchern, Zetteln, Schwimmbrillen und Comicheften kaum mehr sehen konnte, meine Postkartensammlung und die Holzregale an der Wand, die ebenfalls mit allem möglichen Kleinkram voll gestopft waren.
In wenigen Augenblicken würden wilde Barbaren mein Reich erobern. Na ja, genau genommen nur eine wilde Barbarin, aber das war schon schlimm genug. Am liebsten hätte ich einfach die Tür abgeschlossen und die Nebelkrähe nicht hereingelassen. Aber ich konnte mich schließlich nicht die ganzen Ferien hier einschließen. Ich war völlig machtlos. Mama hatte mich dem Feind ausgeliefert, Widerstand war zwecklos – zumindest im Moment.
Deswegen blieb ich einfach in meiner Hängematte liegen, als ich die Nebelkrähe keuchend die Stufen zum Dachboden heraufkommen hörte, und knirschte mit den Zähnen. Die Treppe ist ziemlich steil. Sollte sie ruhig ein bisschen schwitzen, ich würde ihr bestimmt nichts von ihrem Zeug abnehmen.
Leider hielt die Treppe sie nicht besonders lange auf. Viel schneller, als mir lieb war, stand sie auch schon in meinem Zimmer und atmete so heftig wie ich nach 200 Metern Brustschwimmen.
»Mann … ist die Treppe … steil«, japste sie, ließ ihren Seesack mitten im Zimmer fallen und stellte den Käfig vorsichtig daneben. »Ist schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal hier war. Tolles Zimmer!«
»Stimmt«, sagte ich.
Mona wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ganz schön heiß hier oben.«
»Finde ich überhaupt nicht. Aber wenn’s dich stört, kannst du ja wieder gehen.«
»Ach was, so schlimm ist es nun auch wieder nicht«, sagte Mona. »Ich find’s klasse, dass ich hier bei dir wohnen kann!«
»Da musst du dich bei Mama bedanken«, sagte ich. »Ich war nämlich dagegen, dass du hier einziehst.«
»Kann ich verstehen. So ein Zimmer würde ich auch nicht gern mit jemandem teilen. Aber wir werden uns schon vertragen, wir drei. Pinki und ich brauchen ja nicht viel Platz. Wir machen uns ganz klein, nicht wahr, Pinki?« Mona zeigte auf den Käfig. »Pinki kennst du ja schon, oder? Sie ist die schönste Kaninchendame der Welt. Magst du Kaninchen?«
»Allerdings. Besonders mit Rotkohl und Preiselbeeren. Pass bloß auf, dass Paul sie nicht erwischt. Der frisst Kaninchen nämlich am liebsten mit Haut und Haaren.«
Mona lachte, als hätte ich einen besonders guten Witz gemacht. »Ach was, Paul tut Pinki nichts. Außerdem steht sie ja hier oben, da kann ihr doch gar nichts passieren. Nicht wahr, Pinki? Hier werden wir uns richtig wohl fühlen, was? Wo soll ich denn schlafen?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. In meinem Bett jedenfalls nicht.«
Mona lachte wieder. Es klang richtig affig. Sie ging mir jetzt schon auf die Nerven. Ich biss die Zähne zusammen, um sie nicht anzuschreien. Am liebsten hätte ich sie gleich wieder hinausgeworfen. Krach, bumm, direkt die steile Treppe hinunter. Und ihren Seesack und ihr fettes Kaninchen hinterher.
»Natürlich schlafe ich nicht in deinem Bett!«, sagte Mona. »Ich hab doch mein eigenes Bett dabei. Was meinst du, wo wir es am besten hinstellen könnten?«
»Wir?«, fragte ich und zog eine Augenbraue hoch, bis sie zwischen meinen Ponyfransen verschwand. Das hatte ich mit Lea zusammen vor dem Spiegel geübt. Ich konnte es schon ziemlich gut. »Ich baue hier gar nichts auf. Außerdem ist kein Platz mehr für ein zweites Bett, das siehst du doch.«
Ich zeigte auf die Wände meines Zimmers, die alle mit Regalen voll gestellt waren.
»Ach was, das Zimmer ist so riesig, da kriegen wir locker noch ein Bett rein«,
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