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'Alle meine Kinder'

'Alle meine Kinder'

Titel: 'Alle meine Kinder' Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melissa Fay Greene
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zwei Millionen Dollar am Tag; im Jahr 2000 betrug der Verteidigungshaushalt stolze 800 Millionen Dollar. 11
    Gleichzeitig mit der Erhöhung des Militärhaushalts nehmen die Ausgaben für Gesundheit und Bildung relativ dazu ab. Zwar fließen seit 2000 mehr Gelder in den Bereich Soziales und Gesundheit, aber immer noch weit weniger als das, was dringend benötigt würde. Während in den anderen Ländern Schwarzafrikas die staatlichen Gesundheitsausgaben zehn Dollar pro Kopf und Jahr betragen, lagen sie in Äthiopien im Jahr 2002 bei zwei Dollar pro Kopf. 12
    So kommt es, dass die Opfer von Kinderlähmung und Malaria und HIV/Aids und Krebs und die Blinden und die Leprakranken und die geistig Behinderten und Unterernährten und die Waisen und die Sterbenden die Straßen der Hauptstadt bevölkern oder auf den Bürgersteigen liegen, hilflos ihrem Schicksal ausgeliefert.
     
    Äthiopien hat im zwanzigsten Jahrhundert zwei Mal diktatorische Herrscher gestürzt: Kaiser Haile Selassie wurde 1974 durch einen von Major Mengistu Haile Mariam geführten kommunistischen Staatsstreich entmachtet; Mengistu wiederum wurde 1991 durch Meles Zenawi und die EPRDF abgesetzt. Beide Revolutionen gingen mit enormem Blutvergießen einher.
    Mit anzusehen, wie sich Meles’ Regierung zu einer kriegstreiberischen Diktatur entwickelt, führte bei vielen Äthiopiern zu wachsender Enttäuschung und Unzufriedenheit.
     
    Wie wir feststellten, waren weder Sohn noch Vater zu Hause. Wir stellten auch fest, dass das »Zuhause« aus einem Haufen dreckiger Lumpen und Plastiktüten auf dem Bürgersteig bestand, ein paar Schritte von einer Bushaltestelle entfernt. Zusammengebundene Wellblechstücke und Holzplanken bildeten einen niedrigen Schutzzaun um das schmutzige Lager. »Hier wurde er geboren, seine Mutter hat ihn an genau dieser Stelle zur Welt gebracht«, sagte Gerrida.
    Gerrida erkundigte sich bei den Passanten, und ein paar freundliche junge Männer in Jeans und T-Shirt machten sich zuvorkommenderweise auf den Weg, um gemeinsam mit Mintesinot und seinem Vater zurückzukehren.
    Wie jung und verwirrt der Vater aussah! Er war achtundzwanzig Jahre alt, mager, trug einen spärlichen Bart und ein zu großes, beige-grünes Hemd, rote Hosen und eine Kette mit einem Holzkreuz daran. Es hätte mich nicht überrascht, wenn er derjenige gewesen wäre, zu dessen Rettung wir gekommen waren. Gerrida berichtete uns, dass der junge Mann namens Eskender in derselben Firma zum Metallfacharbeiter ausgebildet worden war, in der sein Vater gearbeitet hatte, dass aber seine beiden Eltern schon vor Jahren gestorben waren. Als seine Aids-Erkrankung offenbar wurde, verlor er seine Stelle und sein Haus. Er und seine junge Frau Emebate, ebenfalls eine Waise, hatten sich hier, auf diesem kleinen Stück des Bürgersteigs, niedergelassen. Wenn es regnete, legten sie sich hin und breiteten eine Plastikfolie über sich und ihr Baby.
    Eskender hielt einen stämmigen kleinen Jungen an der Hand, seinen Sohn, den stolzen Kronprinz des Viertels. Mintesinot hatte ein eckiges, dunkel glänzendes Gesicht, lange Locken und entzückende Segelohren. Er hüpfte herum, als gehörte ihm die Welt. Und ihm gehörte ja auch tatsächlich dieses Stück des Bürgersteigs, und jeder kannte ihn. Der Name Mintesinot bedeutete: Was soll er nicht können? Wenn Minty schlafen wollte, kletterte er über den dürftigen Schutzwall, der seine Decken umgab - das Ganze glich einer Burg, wie sie kleine Kinder zum Spielen bauten -, und die Vorbeigehenden bemühten sich, leiser zu sein, und flüsterten sich gegenseitig zu: »Das Baby schläft.« Als Haregewoin auf ihn zutrat, beäugte Mintesinot sie argwöhnisch und drängte sich dichter an Eskender.
    Ich befürchtete, dass wir hier waren, um dem Vater sein Kind zu entreißen und mitzunehmen. Der junge Mann tat mir leid.
    Gerrida holte einen Stoß offizieller Schreiben und Formulare aus ihrer Handtasche und hielt sie Eskender hin. Der junge Vater las die Verfügungen und lächelte traurig. Er reichte Haregewoin die Hand seines Sohnes.
    » Na , komm, Mintesinot«, sagte sie sanft, aber der Junge sträubte sich wie ein Pony, das am Zügel gezogen wird. Haregewoin beugte sich zu ihm hinunter, um mit ihm zu reden, aber er versteckte sich hinter seinem Vater.
    Dann versuchte es Selamneh. Er ging in die Hocke und sagte: »Mintesinot, möchtest du in meinem Taxi fahren?«
    Die leuchtenden schwarzen Augen tauchten hinter dem schmutzigen Hemdschurz des Vaters wieder

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