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Alle Menschen sind sterblich

Alle Menschen sind sterblich

Titel: Alle Menschen sind sterblich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone de Beauvoir
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nicht.
     
    «Und was macht Ihr Fakir?» fragte Laforêt.
    Lächelnd goß Regine die Portweingläser voll: «Er ißt zweimal am Tag in der Stadt, er trägt Anzüge von der Stange und ist so langweilig wie ein Büroangestellter. Ich habe ihn zu gut geheilt.»
    Roger rückte näher an Dulac heran: «In Rouen haben wir einen armen Geistesgestörten getroffen, der sich für einen Fakir hält. Regine hat den Versuch unternommen, ihn zur Vernunft zu bringen.»
    «Und Sie haben es fertiggebracht?» fragte Dulac.
    «Sie bringt alles fertig, was sie sich vornimmt», sagte Roger. «Sie ist eine enorme Frau.»
    Regine lächelte: «Entschuldigen Sie mich einen Augenblick», sagte sie. «Ich muß sehen, wie weit das Essen ist.»
    Sie ging durch das Studio hindurch; auf ihrem Nacken fühlte sie Dulacs Blick; er schätzte als Kenner den Schwung ihrer Beine ab, die Rundung ihrer Taille, die Geschmeidigkeit ihrer Gestalt. Wie ein Pferdehändler.
    Sie öffnete die Küchentür: «Geht alles gut?»
    «Ja», sagte Annie. «Aber was ist mit dem Auflauf?»
    «Stelle ihn in den Ofen, sobald Madame Laforêt erscheint. Sie kommt sicher sehr bald.»
    Sie tauchte den Finger in die Sauce des
canard à l’orange
: nie war sie besser geraten.
    «Bin ich heute abend auch schön?»
    Kritisch sah Annie sie an: «Sie sehen besser aus, wenn Sie die Haare in Zöpfe geflochten haben.»
    «Ich weiß», sagte Regine. «Aber Roger hat mir geraten, alle meine Eigenheiten etwas zurückzustellen. Diese Leute wollen banale Schönheiten sehen.»
    «Schade», sagte Annie.
    «Nur keine Angst. Sobald ich zwei oder drei Filme gedreht habe, werde ich sie zwingen, mein Gesicht so hinzunehmen, wie es wirklich ist.»
    «Sieht Dulac aus, als ob er hingerissen wäre?»
    «Den reißt man nicht so leicht hin.» Zwischen den Zähnen murmelte sie: «Ich hasse diese Sklavenhändler.»
    «Machen Sie vor allem keinen Krach», meinte Annie besorgt. «Trinken Sie nicht soviel, und verlieren Sie nicht die Geduld.»
    «Ich werde geduldig wie ein Engel sein. Ich werde über Dulacs sämtliche Witze lachen. Und wenn ich mit ihm zu Bett gehen muß, dann meinetwegen auch das.»
    Annie fing zu lachen an: «Das wird er gar nicht verlangen.»
    «Egal. Ich verkaufe mich ebenso gern en gros wie en détail.» Sie warf einen Blick in das Stück Spiegel, das über dem Ausguß hing: «Ich darf nicht mehr lange warten», sagte sie.
    Die Flurglocke schrillte auf; Annie stürzte zur Tür, und Regine machte weiter ihr Gesicht zurecht; sie haßte diese Frisur und ihr auf Star geschminktes Gesicht; sie haßte dieses Lächeln, das sie schon im voraus auf ihren Lippen spürte, und den gesellschaftsmäßigen Tonfall ihrer Stimme.
    «Es ist erniedrigend», sagte sie wütend zu sich selbst; und dann dachte sie: Später räche ich mich dafür.
    «Es war gar nicht Madame Laforêt», sagte Annie. Sie blieb mit bestürzter Miene in der Küchentür stehen.
    «Wer war es denn?» fragte Regine.
    «Der Fakir», sagte Annie.
    «Fosca? Was will der denn hier? Hoffentlich hast du ihn nicht hereingelassen.»
    «Nein. Er wartet im Vorzimmer.»
    Regine zog die Küchentür hinter sich zu.
    «Mein lieber Fosca», sagte sie in kühlem Ton, «es tut mir wirklich furchtbar leid. Aber ich kann Sie jetzt unmöglich empfangen. Ich hatte Sie doch gebeten, nicht zu mir zu kommen.»
    «Ich wollte hören, ob Sie nicht krank sind. Seit drei Tagen schon habe ich Sie nicht gesehen.»
    Sie blickte ihn mit unterdrückter Gereiztheit an. Er hielt den Hut in der Hand und trug einen Gabardinemantel. Er sah wie verkleidet aus.
    «Sie hätten ja telefonieren können», sagte sie ohne Freundlichkeit.
    «Ich wollte
wissen»
, sagte er.
    «Na gut, also jetzt wissen Sie. Entschuldigen Sie mich, aber ich habe heute abend Gäste, und es ist etwas sehr Wichtiges. Ich komme mal wieder bei Ihnen vorbei, sobald ich eine Minute frei bin.»
    Er lächelte: «Ein Abendessen, das ist doch nichts Wichtiges», sagte er.
    «Es handelt sich um meine Karriere», sagte sie. «Ich habe Aussicht, einen fabelhaften Start beim Film zu bekommen.»
    «Auch Filme sind nicht wichtig.»
    «Und was Sie mir zu sagen haben, ist von hervorragender Wichtigkeit?» fragte sie gereizt.
    Von neuem schellte es.
    «Kommen Sie hier herein», sagte Regine. Sie schob ihn durch die Küchentür. «Sage, daß ich gleich komme, Annie.»
    Fosca lächelte: «Wie gut das hier drinnen riecht!» Von einer Kristallschale nahm er ein rosa Petit Four und steckte es in den Mund.
    «Wenn Sie mit

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