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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F Pusch
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keine.
    Es wird also keineswegs aufgeklärt, obwohl alle von Aufklärung reden. Es wird nur den Männern mitgeteilt, wie sie weiterpenetrieren können (mit Kondom), und den Frauen, wie sie sich weiter penetrieren lassen sollen (mit Kondom). Dabei weiß jede Frau, schon durch die Pillenpropaganda, daß Kondome nicht sicher sind. Nicht mitgeteilt wird den Frauen, daß sie beim Nachspiel dankend abwinken könnten oder sich von Männern ab- und Frauen zuwenden könnten — geschweige denn sollten. Die einzige Zeitschrift, die wirklich aufklärt, ist Emma.

5.2 Diskriminierende Aufklärung und die Folgen

    Diskriminieren (von lat. discernere »unterscheiden«) heißt zunächst: unterschiedlich behandeln; im engeren Sinne dann »durch unterschiedliche Behandlung benachteiligen«. Dinge, Themen, Personen, die gleich behandelt werden müßten, werden unterschiedlich behandelt. Die Aids-Aufklärung wie schon die gängige Sexualaufklärung ist diskriminierend, weil sie Sexualität mit Sperma- bzw. mit Heterosexualität gleichsetzt. Weibliche und männliche Homosexualität wie auch Bisexualität werden in der Sexualaufklärung »anders behandelt« als Heterosexualität, nämlich in der Regel gar nicht; sie werden ausgeklammert. Homosexuelle Paare, weibliche und männliche, werden vom Gesetz anders behandelt als heterosexuelle. Zum Beispiel können Schwule und Lesben nicht heiraten und dadurch massenhaft Steuern sparen wie Heterosexuelle. Ein Schwuler, der seinen Lebensgefährten nach einem Unfall am Sterbebett besuchen möchte, wird vom Krankenhauspersonal nicht zugelassen, da er »nicht mit dem Verletzten verwandt« ist. Wohl aber dürfen die Eltern oder Geschwister ihm Lebewohl sagen, die ihm schon vor Jahrzehnten wegen seines Schwulseins Hausverbot erteilt haben.
    Die Diskriminierung rächt sich jetzt vielfältig: Wer sich mit der »Schwulenseuche« infiziert hat, wird, sofern männlich, unweigerlich als »schwul« verdächtigt. Um diesem gesellschaftlich noch immer und heute wieder mehr denn je vernichtenden Schicksal zu entgehen, meiden viele den Aids-Test und gefährden damit u. U. sich selbst und vor allem andere. Wenn Aids eine »anständige« Krankheit wäre wie Tuberkulose, gäbe es keine derartigen Probleme. Die Diskussion um die gesundheitspolitisch im Grunde vernünftige Meldepflicht für Aids-Infizierte geht von der Folge der Diskriminierung als unabänderlichem Faktum aus. Bisher scheint niemand auch nur die Idee zu erwägen, daß sich auch dagegen etwas tun läßt mittels des vielbeschworenen einzigen Heilmittels »Aufklärung« sowie »flankierender« gesetzgeberischer Maßnahmen. Da die »biedere Heterowelt« derzeit ohnehin bis in die Knochen geschockt ist darüber, »was es alles gibt im Reich der Sinne«, ließe sich doch dieser günstige »Lähmungszustand« nutzen zu einem weiteren, diesmal sinnvollen »Schock«: sofortige gesetzliche Gleichstellung heterosexueller und homosexueller Paare, mit allen Konsequenzen. Also entweder Abschaffung der Ehe oder Einführung der Ehe für schwule und lesbische Paare.
    Schwule, die als Männer mit ihrer Diskriminierung anders und offensiver umgehen als Lesben, sind im Schnitt »promisker« als der Rest der Bevölkerung. Da ohnehin alles darauf angelegt ist, ihre Partnerschaften zu zerstören, versuchen viele ihr Problem dadurch zu lösen, daß »treue« Partnerschaften von vornherein nicht angestrebt werden, sondern statt dessen flüchtige und anonyme. Es ist, aus schwuler Sicht, reiner Zynismus, nunmehr offiziell »Treue« als Heilmittel gegen Aids zu empfehlen. Angesprochen fühlen müßte sich ja in erster Linie die am meisten gefährdete Gruppe, eben die Schwulen — und die können mit dieser Empfehlung wenig anfangen, solange ihre Bindungen derart geächtet werden. Also werden sie weiter flüchtige Beziehungen pflegen, sich dadurch immer mehr dezimieren und vorher über die »bisexuellen Bindeglieder« 99 die »Mehrheitsherde der Heterosexuellen« 100 anstecken.
    Es wird immer lautstark gejammert über das beklagenswerte Los der Jugend, die doch erst noch »sexuelle Erfahrungen sammeln« müsse, dies nun aber gar nicht mehr unbeschwert tun könne. Mit »sexuellen Erfahrungen« sind selbstverständlich ausschließlich heterosexuelle Erfahrungen gemeint. Eine nichtdiskriminierende Sexual- wie auch Aidsaufklärung könnte da leicht abhelfen, vor allem, was den weiblichen Teil der »bedauernswerten Jugend« betrifft. Angemessen angesichts der großen Gefahr der

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