0564 - Die Gräber seiner Ahnen
Noch lagen die Berge im Schatten. Kahl waren sie, wirkten frostig und abweisend, als wollten sie jeden Fremden warnen, sich näher mit ihnen zu beschäftigen.
Der Bäcker und seine Kollegen, die Fleisch oder Milch verkauften, arbeiteten bereits. Auch dort, wo sich die Männergruppe zusammengefunden hatte, um einer bestimmten Aufgabe nachzugehen, tat sich etwas.
Es waren mehr als zehn Männer, die dieser Gemeinschaft angehörten. Nichtwissende hätten sie als einen Geheimorden bezeichnet, das aber wollten sie nicht sein. Sie hatten sich vorgenommen, ihre Orden zu rehabilitieren und der Welt klarzumachen, daß man sie für die Verfehlungen anderer Templer nicht zur Verantwortung ziehen konnte.
Es war schwer, sehr schwer, denn auch die Bewohner des kleinen französischen Ortes Alet-les-Bains waren alles andere als begeistert gewesen, aber sie hatten der Historie ihren Tribut zu zollen und die Templer aufzunehmen.
Sie lebten zusammen in einem Haus am Rande des Dorfes und gingen dort ihren Studien nach.
Anführer war Abbé Bloch, ein älterer Mann, jemand, der viel wußte und dem das Schicksal grausam mitgespielt hatte, denn der Abbé war erblindet.
Flüssiges Silber war in seine Augen gelangt und hatte ihm die Sehkraft genommen. Dennoch dachte er nicht an Aufgabe oder wurde depressiv. Er hatte sich mit seinem Schicksal abgefunden und trotzdem nicht, denn es gab andere Wege, um den Kampf fortzusetzen.
Das Böse auf der Welt mußte vernichtet werden.
Der Abbé suchte, wußte, daß er Freunde hatte, die ihm halfen, und so geschah es.
Das Augenlicht konnte ihm niemand wieder zurückgeben, aber er hatte ein anderes Geschenk bekommen.
Den Würfel des Heils!
Für ihn war es der Gegenstand, durch den er Kontakt zu anderen Welten halten konnte. Er hatte den Würfel einmal als einen magischen Computer und Indikator bezeichnet, denn dieser Gegenstand zeigte ihm oft genug an, wenn eine Gefahr drohte.
An diesem Morgen allerdings reagierte der Abbé völlig anders, wie die Menschen annahmen. Noch lag der Glanz des Tages verborgen. Es sollte ein wunderschöner Tag werden, aber der kleine Ort war wie ausgestorben. Nur eine Haustür bewegte sich. Es war die des Templerhauses.
Die Tür wurde geöffnet.
Zunächst nur spaltbreit, dann drängte sie weiter vor. Dabei entstand ein leises Knarren, das überging in ein quietschendes Geräusch und sofort gestoppt wurde, denn der Mensch, der das Haus verlassen wollte, hatte Furcht davor, gehört zu werden.
Der Spalt blieb sekundenlang. Die Person, die das Haus verlassen wollte, wartete zunächst ab. Sie wollte weder gehört noch gesehen werden. Alles mußte in aller Heimlichkeit geschehen, denn gewisse Dinge bedurften keiner Zeugen.
Hinter dem Spalt hockte die graue Dunkelheit des Hauses, in dem kein Licht brannte. Schatten füllten es aus, aber in die Schatten geriet Bewegung, als sich die Gestalt dem Türspalt näherte.
Eine Hand erschien…
Sie umfaßte die kantige Mauerecke. Im Gegensatz zum dunklen Ärmel der Kleidung wirkte sie wie eine blasse Totenklaue, über die sich die Haut dünn spannte.
Noch zögerte der Mann, blickte aus guter Deckung auf den nicht mehr ganz leeren Platz vor dem Haus, über den zwei Katzen liefen, plötzlich fauchten und sich gegenseitig jagten.
Für den Mann wirkte dies wie ein Startschuß. Die Tür öffnete sich noch weiter, um ihm den Platz zu schaffen, den er benötigte. Er schob sich durch die Öffnung.
Die dunkle Kleidung paßte sich der Schwärze des frühen Morgens an. Nur sein Gesicht stach davon ab, aber auch darin gab es zwei dunkle Stellen. Genau dort, wo sich die Augen befanden, die von zwei geschwärzten Gläsern verdeckt wurden.
Der Mann war Abbé Bloch!
Ein Blinder stahl sich aus dem Haus, heimlich, um nur nicht gesehen zu werden. Wie ein Dieb schlich er davon oder wie ein Mensch, der Böses im Sinn hatte.
Vor der Tür blieb er für einen Moment stehen, schaute an der dunklen Fassade hoch, die von grauen Schleiern bedeckt und von Fenstern aufgeteilt wurde, hinter denen kein Licht brannte.
Die Templer schliefen. Keiner von ihnen ahnte, daß der Abbé, ihr Anführer, das Haus verlassen hatte, um einen eigenen Weg zu gehen. Als Blinder hätte er relativ hilflos sein müssen, doch der Abbé hatte sogar auf einen Stock verzichtet.
Er wirkte so, als würde er sich auskennen, wie jemand, der sein Augenlicht noch besaß.
Und er ging weiter.
Seine Schritte knirschten auf dem mit Schotter vermischten Kies.
Er hielt sich dicht an der
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