Alle Menschen werden Schwestern
pro Seite, je nachdem. In jedem längeren Text produzierte sie daher laufend Witwen: armselig alleinstehende Zeilen, auf ewig getrennt von ihren besseren Hälften, die auf der vorigen Seite verblieben waren oder erst auf der nächsten kommen würden. Nicht selten gar machte die dumme Pute aus einer Über schrift quasi eine Unterschrift!
Gut, die Erfindung ist also nützlich — obwohl sie natürlich eigentlich nur etwas >unter Kontrolle bringt<, was wir immer bestens im Griff hatten, ohne großes Aufheben im kleinen Finger sozusagen, bis es dann der Computer in Unordnung brachte. Nicht im Traum wäre es mir eingefallen, die schlichte Vermeidung von Blödsinn bei der Aufteilung meiner Schriftstücke großartig mit einem eigenen Namen zu belegen. Und schon gar nicht wäre mir dafür der Name Witwenkontrolle eingefallen.
Da die computerseitige Vermeidung des Blödsinns noch ziemlich neu ist, hab ich den Namen bisher nur auf englisch gehört, widow control, aber ich bin ziemlich sicher, daß wir das bald als wörtliche Übersetzung ins Deutsche kriegen werden. Anders als mit der Software, die bei uns immer noch Software und nicht etwa Weichware heißt oder so. ( Weichware wirkt anscheinend irgendwie zu weibisch-komisch in unserer Sprache, halt der Würde der Software nicht angemessen.) Aus dem herrischen Wort widow control schließe ich messerscharf, daß wir die Erfindung selbst wie auch ihren Namen Männern verdanken. Im Englischen bedeutet (to) control auch, sogar meistens, >beherrschen<, >Herrschaft<.
Und wenn nun Frauen einen Namen für diese Sache hätten finden sollen? Hätten wir sie vielleicht Witwerkontrolle genannt? Ich glaube kaum, denn Frauen denken ja immer ein bißchen eher und ein bißchen weiter. Wir hätten schon in den >alleinstehenden Zei- 1 len< nur ungern >Witwer< gesehen — nur über unsere Leichen, | sozusagen. Denn jeder Witwer, ob unter oder außer Kontrolle, setzt eine tote Frau voraus.
1987
Nachtrag 1989
Kaum war die Glosse erschienen, haben Fachfrauen mich belehrt, daß jene widows auf deutsch Hurenkinder genannt werden, und im sechsbändigen Dudenwörterbuch lese ich dazu: »die Zeile... hebt sich... von der normalen Zeilenordnung ab, ähnlich wie ein >Hurenkind< früher ausgestoßen, isoliert und verachtet war u. sich so deutlich von den ehelichen Kindern unterschied.« Frau lernt doch nie aus. Die Mutter eines nichtehelichen Kindes ist also eine Hure. Und der Vater??
Inzwischen gibt es die deutsche Version meines Textverarbeitungsprogramms. Und tatsächlich: Da, wo sonst die »widow control« anzuklicken war, kann ich jetzt eine »Hurenkind-Regelung« in Kraft setzen.
Zwei Gleichnisse von der Gleichstellung
Erstes Gleichnis:
Es war einmal eine gesellschaftliche Stufenleiter. Ganz oben stand der Mann, ganz unten die Frau. Die Frau, nicht faul, machte sich auf den Weg und kraxelte zu ihm empor. Da waren beide gleichgestellt, und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie noch heute oben und gleichgestellt.
Zweites Gleichnis: (
Es war einmal ein Mann, der war ganz oben und blickte stolz und frei und gelassen in die Runde. Er saß auf den Schultern einer Frau. Die Frau begann zu murren, da beschloß der Mann, sie gleichzustellen. Er richtete der Frau eine Gleichstellungsstelle ein, ernannte sie zur Frauenbeauftragten und befahl ihr, für ihre Gleichstellung endlich Sorge zu tragen. Seither bemüht sich die Frau, auf ihren Schultern Platz zu nehmen, aber es will und will ihr nicht gelingen, denn da sitzt ja schon der Mann.
Was könnte die Frauenbeauftragte tun, um ihren Auftrag auszuführen? Den Mann absetzen — wäre sie dann gleichgestellt? Irgendwie schon, beide müßten auf eigenen Füßen stehen. Aber die wundervoll komfortable »Stellung« des Mannes besteht ja grade darin, daß er das nicht muß.
Und wenn sie sich auf die Schultern des Mannes setzt? Dann ist sie ihm noch immer nicht gleichgestellt, denn er sitzt auf den Schultern einer sanften, geduldigen Frau, und das ist viel weicher und ruhiger und gemütlicher. Es bleibt kein anderer Weg: Die Frau muß endlich lernen, auf ihren eigenen Schultern zu sitzen.
Die Leserin mag nun selbst entscheiden, welches Gleichnis mehr unserer Wirklichkeit entspricht. Meine Meinung: Die Gleichstellung ist nicht nur logisch unmöglich, sondern auch überflüssig, denn wir Frauen sind den Männern doch sowieso schon lange gleich bzw. wurscht.
1987
Das IVF-Kind
Kürzlich wurden in der Zeitschrift Der Spracbdienst die
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