Alle Menschen werden Schwestern
»wie Maler«, so wie Achill kämpfte »wie ein Löwe« — deshalb bekommen sie den Ehrentitel Maler.
Als vor Jahren eine C4-Professorin der Linguistik »Sekretär« (also Vorstandsmitglied) der Deutschen Gesellschaft für Sprachwissenschaft DGfS wurde, lehnte sie es rundweg ab, sich Sekretärin derDGfS zu nennen. Sie fürchtete wohl, mit einer Schreibkraft verwechselt zu werden. [Was daran so furchtbar ist, weiß ich allerdings nicht — der Ausdruck »bloß« Schreibkraft ist genauso blöd wie »bloß« Innenarchitektin usw. Außerdem war die »Gefahr« äußerst gering — all ihre Bezugspersonen wußten, daß sie nicht Schreibkraft, sondern Professorin ist.] So verpaßte sie die günstige Chance, eine neue, ihre eigene Realität zu definieren, d. h., bei der Außerkraftsetzung des Vorurteils »weiblich gleich zweitrangig« mitzuwirken. Erst wenn Sekretärin sowohl »Schreibkraft« als auch »Mitglied eines Vorstands« bedeuten kann ( sie hätte diese Bedeutungserweiterung miteinleiten können!), wird der Sekretär seines Nimbus’ entkleidet sein. Zusätzlich hilfreich ist es, wenn Sekretär auch »Schreibkraft« bedeutet. Tatsächlich gibt es seit geraumer Zeit hin und wieder männliche Schreibkräfte, Sekretäre, zu sehen. 38
Ähnlich wie unsere Wortpaare Gärtnerin/Gärtner , Architektin/ Architekt, Malerin/Maler, Sekretärin/Sekretär funktionieren im Englischen die Paare governor/governess und master/mistress. He’s a Professional bedeutet »Er ist ein Fachmann«, während She’s a Professional in der Regel »Sie ist eine Nutte« bedeutet. 39
Aufbrechen läßt sich dieses semantische Grundmuster nur durch bewußte Aneignung bzw. »Entwendung« (so der terminus technicus 40 ) des jeweiligen negativ besetzten Wortes: Dies nämlich bewirkt automatisch seine Umwertung. Jede Herabsetzung oder Beleidigung, die von der Person, die getroffen werden soll, mit Genugtuung statt mit Abwehr quittiert wird, ist »mißlungen«, d. h. ist — per definitionem — keine Beleidigung, während Abwehr genau die vom Angreifer intendierte Reaktion ist und ihn deshalb bestätigt und seine Position stärkt. Mit anderen Worten: Wenn wir maskuline Personen- und vor allem Funktionsbezeichnungen auf uns selbst und andere Frauen anwenden bzw. anwenden lassen, tun wir dies vielleicht in der edlen Absicht, unserem Geschlecht den Rang zuzusprechen, der uns gebührt, erreichen aber genau das Gegenteil: Die Ablehnung weiblicher Bezeichnungen durch Frauen bestätigt nur den Mythos von der Maßstäblichkeit der Männer und ihre unverschämte Unterstellung, sie seien etwas Besseres als Frauen.
Eine Variante der Nebenbedeutung »minderwertig« für die movierte Form von Berufsbezeichnungen ist die Nebenbedeutung »andersartig«. Schreiben Schriftstellerinnen nicht doch ganz anders als Schriftsteller? [Bekanntlich beschäftigt sich die feministische Theorie, speziell Literaturtheorie, seit einiger Zeit intensiv mit dieser Frage.] Ich will mich als Nicht-Fachfrau in dieser Debatte nicht engagieren, sondern hier nur zwei interessante Belege vorstellen. Der deutsche Übersetzer der Virginia-Woolf-Biographie von Quentin Bell übersetzt writer einmal mit Schriftstellerin , ein andermal mit Schriftsteller [beide vorkommen von writer beziehen sich auf Virginia Woolf]:
(34) Als Schriftstellerin rinnt mir die Schönheit, die fast nur aus zarter, veränderlicher Farbe besteht, von der Feder, als gösse man einen Krug Champagner über eine Haarnadel. [V. Woolf an Vanessa Bell] (Bell 1982: 481)
(35) Gleichwohl ist es ein gedankenreicher Vortrag, die Aussage eines Schriftstellers, der sich nicht nur der eigenen gesellschaftlichen Stellung, sondern des gesellschaftlichen und des Klassencharakters von Literatur überhaupt bewußt ist. (Bell 1982: 496)
Klar, daß zu »Schönheit«, »zart«, »Farbe«, »Feder«, »Krug«, »Champagner« und erst zu »Haarnadel« Schriftstellerin viel besser paßt als Schriftsteller ! Und zu »gedankenreich«, »Vortrag«, »gesellschaftlich« und erst zu »Klassencharakter« und »bewußt« paßt natürlich Schriftsteller viel besser als Schriftstellerin.
Zum Schluß noch zwei Belege, deren Interpretation mir nicht gelingen will:
(36) Bei ihr trafen sich Künstler aller Art, Maler, Bildhauer, Tänzer und Tänzerinnen, Musiker und das ganze Berliner Theater. (Goetz & von Martens 1982: 223)
(37) […] Henriette Herz, in deren Salon sich einstmals die ersten Künstler und Künstlerinnen, Gelehrte und Aristokraten
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