Alle Menschen werden Schwestern
ausgewählt, um sie hier zu diskutieren. Hermaphroditen sind — ich wiederhole es für Hier-EinsteigerInnen — Sätze, in denen sowohl weibliche als auch männliche Bezeichnungen für ein und dieselbe (Gruppe von) Frau(en) verwendet wurden. Die Interpretation solcher Belege, d. h. das Aufzeigen von Gründen für die Wahl der weiblichen oder der männlichen Bezeichnung, ist nicht einfach — manche Texte wirken diesbezüglich schlicht irrational. In anderen Fällen wiederum gibt es einleuchtende Erklärungen für die Variation — Erklärungen etwa der Art, wie ich sie oben im zweiten Kapitel in dem »Drei-Stufen-Modell« entwickelt habe, und noch einige andere. Insgesamt scheint mir dieser Untersuchungsgegenstand fast einer neuen linguistischen Disziplin zu bedürfen, einer Art tiefen- und sozialpsychologisch fundierten Textlinguistik bzw. Textanalyse.
4 »Männliche« und »weibliche« Berufe
Eine ähnliche Struktur wie die in Kapitel 2 analysierten Bildunterschriften im Spiegel weisen die folgenden Textstellen auf. Die Maskulina definieren den Bereich, der derzeit noch überwiegend bis ausschließlich männlich besetzt ist, und die Feminina stehen für Berufsfelder, in denen Frauen schon Fuß gefaßt haben:
(9) Im Verlauf des letzten Winters habe ich zwölf Bewerbungen verfaßt. Zwölfmal habe ich (wie es so schön heißt) meine Mitarbeit angeboten:
- dem Bund schweizerischer Frauenorganisationen und einer kantonalen Berufsberatungsstelle als Dokumentalistin
- dem Kantonsspital als Auskunftsbeamter und Portier
- dem schweizerischen Arbeiterhilfswerk und dem städtischen Fürsorgeamt als kaufmännische Angestellte
- einer ungenannten Firma als Mitarbeiterin für eine nicht umschriebene Tätigkeit im Zusammenhang mit älteren Menschen
- der Abteilung Kulturtechnik und Vermessung der Technischen Hochschule, dem Deutschen Seminar der Universität, dem Bezirksjugendamt und einer nicht näher bezeichneten Institution als Sekretärin ,
- der Abteilung Wort beim Radio als Mitarbeiterin in irgendeiner Funktion und
- dem Pestalozzianum als Assistentin in der Bibliothek. (Baur 1981: 50)
Für dieses Beispiel findet sich leicht eine Interpretation: Die Autorin gibt die Ausdrücke in genau der Form wieder, wie sie sie in den Stellenanzeigen vorgefunden haben wird. Schwierig ist dagegen die Interpretation des folgenden Beispiels, das für mich in die Kategorie »irrational« fällt:
(10) Infanteristinnen, Panzerfahrer, Richtkanoniere und Geschützführerinnen dürfen sie nicht werden; die GIs (weiblich) sollen »unterstützende Funktionen« übernehmen, keine Aufgaben im Kampf. (Spiegel 19/1984, S. 73)
Die Beispiele (11) bis (15) machen die von Frauen bereits »eroberten« Berufe und Funktionen sichtbar gegenüber denjenigen, in denen sie neu, Pionierinnen, sind bzw. waren. Telephonistinnen z. B. (vgl. Hermaphrodite Nr. 12) gab es schon vor dem Zweiten Weltkrieg wie Sand am Meer, Pferdemusterinnen jedoch waren anscheinend damals genauso ungewohnt wie heute.
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(11) Und da Frauen Uniform tragen und den Streitkräften angehören sollen, gelten sie — mit Ausnahme der Sanitäterinnen und Seelsorgerinnen — im internationalen Völkerrecht als Kombattanten , als Kämpfer . (Spiegel 19/1984, S. 76-78)
(12) Freiwillige Frauen wurden für den Etappendienst geworben, arbeiteten in Hangars und Munitionsdepots, in Stäben und Lazaretten, als Telephonistinnen und Pferdemusterer . (Spiegel 19/1984, S. 83)
(13) [...] im Feldheer halfen 12 500 Stabs- und 8000 Nachrichtenfrauen siegen [...]. Sie betrieben Funk- und Fernsprechnetze [...], fuhren als Melder im Kübelwagen, übernahmen Funkmeß- und Luftwarndienste. (Spiegel 19/ 1984, S. 85)
(14) Die Britinnen wurden zwar in Selbstverteidigung ausgebildet, tragen aber keine Waffen. Sie können zu Unteroffiziere n und Offizieren aufsteigen. (Spiegel 19/1984, S. 71)
(15) Mit siebzehn wurde sie Lehrerin [...]. Nachdem sie ihren Doktor der Volkswirtschaft gemacht hatte, arbeitete sie in Karlsruhe als Gewerbeinspektor . (Green 1980: 35)
Eine besonders reich bestückte Unterabteilung in dieser Gruppe bilden erwartungsgemäß die Bezeichnungen hoher und höchster politischer, militärischer, akademischer und sonstiger Ränge. Häufig werden solche Rangbezeichnungen als Titel verliehen, natürlich in der »männlichen Form«, denn eigentlich sind Frauen hier ja gar nicht vorgesehen:
(16) [...] eine andere Bonner Frau , eine herbe Hamburgerin , gelernte Juristin . Helmut
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