Alle Menschen werden Schwestern
die Langfassung, deren Gehalt es überdies noch unterstreicht. Die besten feministischen Akronyme kommen aus den USA:
NOW: National Organization of Women
WOMAN: World Organization of Mothers of all Nations
SCUM-Manifesto — Society for Cutting up Men (Valerie Solanas) ( scum bedeutet »Abschaum«, und die Society ist die »Gesellschaft zur Vernichtung der Männer«)
WIG: Women in German ( wig bedeutet »Perücke«; die Mitglieder nennen sich wiggies)
Ein Sonderfall ist das Lene, das autonome Lesbenzentrum Hamburg. Lene steht für Lesbennest (COURAGE 1976.Dez.51). Ein »harmloser« weiblicher Vorname soll hier den eigentlichen Inhalt vor einer feindlichen Außenwelt verstecken. Das Wort Lesbennest wiederum ist ein Wortspiel, das auf den SPIEGEL zurückgeht. Ähnlich wie der SPIEGEL Prostituierte genüßlich als »Gunstgewerblerinnen« zu bezeichnen pflegt, nennt er die Aufdeckung eines lesbischen Verstecks gern »Stich ins Lesbennest«. Apropos Versteck: Die Sprachpolitik der Lesben, zwischen Verschleierung und Offensive, verdient eine eigene Untersuchung. Auf der einen Seite stehen schützende Namen wie Lene, Gruppe L 74 oder Unsere kleine Zeitung, auf der anderen Namen von Rockbands wie Lesbeton und Flying Lesbians oder Zeitschriftentitel wie Lesbenfront (heute heißt die Zeitung grimmig Frau ohne Herz), Lesbenpresse und Lesbenstich.
8 Andere Wortspiele
Es kamen in den einzelnen Abteilungen dieses Aufsatzes schon viele Wortspiele vor; ich erinnere an Lysistrara, Anna Konda, Lesbeton, Donna Wetter (Titel einer Ausstellung von 23 Malerinnen). Außerdem zählen natürlich alle gelungenen Akronyme zu den Wortspielen. Einfache Falschschreibungen wie femfatal, Famm fatal oder Krem fresch dagegen sind keine Wortspiele im engen Sinne, da sie nichts weiter zum Ausdruck bringen als Aufmüpfigkeit, Freude an der Verletzung ehrwürdiger Regeln.
Terre des Femmes und Struwwel-Lotte (Berliner Frauen- und Kinderbuchladen) gehören zur Klasse der femininen Pendant-Bildungen, die, nicht nur zahlenmäßig, der wichtigste feministische Beitrag zum laufenden Sprachwandel sind: Pronomen frau, Industriekauffrau, Hampelfrau, Buhfrau, Emma Normalverbraucherin, einer die schwarze Petra zuschieben und so weiter, endlos, wie die Flut männlicher Selbstverallgemeinerungen und -projektionen.
Die italienischen Wörter donna >Frau< und lotta >Kampf< werden besonders häufig für Wortspiele genutzt, vgl. Belladonna, Primadonna, Lila Lotta, Frauencafe La Lotta (Hannover) oder Lotta Bewegung (Pseudonym einer EMMA-Autorin).
Belladonna und Primadonna gehören zu den Amphibolien wie auch Frauenzimmer (Frauencafes in Basel und Wolfsburg). Außer ihrer gängigen Bedeutung vermitteln diese Namen in feministischem Kontext noch feministischen Hintersinn, den sich jede leicht selbst aufdröseln kann.
Wie schon das Akronym F.R.A.U. zeigte, wird auch mit dem Wort Frau gern gespielt. Weitere Beispiele sind: Frauwärts (Berliner Mädchen-Zeitschrift), FR — AU 1 ff (Frauenzeitung Freiburg) und Allerleifrau (Magazin des Hessischen Rundfunks, auch Titel eines Sammelbands des Frauenliteraturvertriebs Bremen).
Bleiben noch nachzutragen der Frauenbuchladen Dröppel(fe)mina in Wuppertal ( Dröppelminna ist eine regionale Bezeichnung für Tropfenfänger), die Ausstellung Fotomorgana, mein Lieblingswortspiel Unterrock (Punkband Hannover) und:
EMMA wie Emanzipation! EMMA ist so gut geprägt 49 , daß es spielend den schwierigen Sprung vom Eigennamen zur Gattungsbezeichnung schaffte. Fachfraulich ausgedrückt: Emma ist das einzige Eponym, das die deutsche Frauenbewegung hervorgebracht hat! Die Mitarbeiterinnen und die Leserinnen von EMMA bezeichnen sich selbst als Emmas. Ja, für viele ist Emma schon gleichbedeutend mit Feministin, gleichgültig, ob als Ehrenbezeichnung oder als Schimpfwort (»Emanze«) gemeint.
9 Weibliche Vornamen
Was unterscheidet nun den Namen Emma von den Namen »klassischer« Frauenzeitschriften wie Petra, Brigitte oder Constanze ?
Emma ist zur Zeit gänzlich aus der Mode, weckt Assoziationen an unsere Urgroßmütter und ihr trostloses Dienstmädchen-Dasein. Ein »Tante-Emma-Laden« hat klein und eher ärmlich zu sein, dafür herzhaft-gemütlich mit einer ebensolchen, möglichst handfesten und stämmigen »Tante Emma« hinter der Theke, fern von allem Modischen. Während Namen wie Petra und Brigitte alle Petras und Brigittes und alle Frauen, die die anderen gängigen Vornamen tragen, zur Identifikation und zum Mitkonsumieren
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