Alle Menschen werden Schwestern
auch nicht als Schutz.
Das weiß auch der Zeitungsmann sehr genau. Deswegen betreibt er eine gezielte Imagepolitik, schließlich sitzt er am Drücker, kann Informationen bringen oder sie unterdrücken — und wenn er sie nicht mehr unterdrücken kann, kann er sie immer noch »gestalten«.
Ich möchte, nach einem kurzen historischen Rückblick, anhand zweier Beispiele zeigen, wie diese »Gestaltung« im Dienste männlicher Image-Pflege und — Restauration heute aussieht.
2 Frühere Lösungen des Problems: Ignorieren und Leugnen
Das Wort Frauenhaus hat einen radikalen Bedeutungswandel erlebt. Zu Luthers Zeiten bedeutete es »Hurenhaus« (so das Grimmsche Wörterbuch), »Bordell« — heute hingegen bezeichnet es eine Zufluchtsstätte für »geschlagene Frauen«. Im großen Duden-Wörterbuch (6 Bände, 1977) fehlt das Wort Frauenhaus.
Der Ausdruck geschlagene Frauen ist auch ganz neu. Früher gab es höchstens »geschlagene Armeen«. Die zahllosen geschlagenen Armeen der Geschichte haben mit den geschlagenen Frauen gemeinsam, daß auch sie von Männern geschlagen wurden.
Die plötzliche »Ausdifferenzierung« unseres Wortschatzes verdanken wir der Tatsache, daß es uns Frauen gelungen ist, die lange Phase der männlichen Ignorierung der männlichen Gewalt gegen Frauen zu überwinden.
Frauen wurden zu allen Zeiten von Männern geschlagen, aber erst seit Mitte der siebziger Jahre gibt es Zufluchtsstätten für sie. Daß es solche Schutzräume vor Männerbrutalität gibt, haben wir nicht einsichtigen »gewaltfreien« Männern zu verdanken. Frauen haben sie ins Leben gerufen gegen den passiven bis massiven Widerstand aller Männer, auch derjenigen, die vielleicht nie einer Frau Gewalt angetan haben.
Als das sechsbändige Dudenwörterbuch fertiggestellt wurde, waren diese Frauenhäuser noch kein fester Begriff wie heute — wir befanden uns damals nämlich noch in der Phase der männlichen Leugnung:
Noch Anfang der achtziger Jahre reagierten die meisten »Stadtväter«, wenn Frauenhaus-Initiativen finanzielle Unterstützung für die dringend benötigten Frauenhäuser forderten, mit Leugnen: Es bestünde keinerlei Bedarf. Frauen würden erstens sowieso nie von Männern geschlagen (das sei doch bloß eine Erfindung hysterischer Emanzen) und zweitens hier bei ihnen, im Städtchen xy, schon gar nicht.
3 Verschleiern: Verharmlosen und Verdrehen
Erst wenn sich die Tatsachen beim besten Willen nicht mehr leugnen lassen, weil Frauen einfach zu viel Beweismaterial angehäuft haben und auch nicht aufhören, die Schandtaten der Männer öffentlich anzuprangern, kommt die dritte, die Phase der Verschleierung, d.h. Verharmlosung und/oder Verdrehung der brutalen Tatsachen, in den Männermedien. In dieser Phase befinden wir uns zur Zeit. Mann kann nicht mehr umhin, den Skandal endlich zur Kenntnis zu nehmen und auch in der Presse (gelegentlich) zu kommentieren, aber in der Regel tut er es so, daß die Gewaltstrukturen gründlich verwischt werden und für das unkritische Gemüt kaum noch erkennbar sind: »Nun ja, da gibt es anscheinend tatsächlich ein Wehwehchen bei diesen Frauen. Doch, doch, es verdient gewiß auch etwas Linderung, vielleicht sind sogar Schutzmaßnahmen angebracht.« Aber Täter? Verantwortliche? Nein, die gibt es anscheinend nicht, und wo es die nicht gibt, kann mann sich getrost und genüßlich auf das Thema Opfer konzentrieren — ein Thema, auf das beispielsweise im Falle des politischen Terrors kaum mal ein Nebensatz verwendet wird. Dort stehen die Täter, ihre Verfolgung und Festnahme im Zentrum der Debatte; außerdem umfassende Vorbeuge- und Vergeltungsmaßnahmen gegen sie. Nicht so beim alltäglichen Terror des Mannes gegen die Frau.
Die drei wichtigsten sprachlichen Tricks, die der männliche Image-Schoner bei seiner täglichen Image-Pflege verwendet, sind
a) die »Löschung des Täters und seiner Verantwortlichkeit« mittels der Passivkonstruktion 75 . Beispiel: Schlagzeilen wie Kinder sexuell mißbraucht
b) die Erzeugung von Konfusion durch »Fusion«: Anstelle geschlechtsspezifischer Ausdrücke verwendet mann geschlechtsneutrale, wirft also die Täter mit den Opfern sprachlich in denselben Topf, so daß beide nicht mehr identifizierbar sind: Die Täter können theoretisch auch die Opfer sein und die Opfer ebensogut die Täter. Beispiel: Gewalt in der Familie
c) Verharmlosung und Verdrehung. Beispiel: Mit dem »lustvollen« Wort Sex bezeichnet mann Vergewaltigungen, mit dem für Unwissende
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