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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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sondern auch in Drei- bis Vierfachbedeutung, und deren Würze muß im Deutschen häufig verlorengehen. Ich habe dies manchmal in Fußnoten angedeutet; dennoch schmerzt jede Stelle, der ich im Deutschen in dieser Beziehung nicht gerecht werden konnte, denn eine wesentliche Qualität von PURE LUST ist das Spiel mit der Sprache. Den Ausgleich mit kraftvollen deutschen Worten habe ich versucht.« (S. IX, m. H.)
    Die Frage ist, warum tut Mary Daly (uns) das (an), was bezweckt sie damit? Und: Erreicht sie das, was sie bezweckt?
    Ich sehe für ihr Vorgehen/Vergehen (?) vor allem zwei Gründe: Erstens macht Mary Daly das Spiel mit Wörtern einfach Spaß, sie tut es sozusagen aus Reiner Lust. Jede, die sich einmal auf dieser unerschöpflichen Spielwiese betätigt hat, weiß, daß das Spielen mit Wörtern wirklich eine sehr lustvolle Beschäftigung ist, besonders wenn einer dann solche »treffenden« Kostbarkeiten gelingen wie stag-nation, the-rapist, bore-ocracy, Hexikon oder Mister-ektomy, die im Wortschatz von Feministinnen inzwischen Klassikerinnen sein dürften.
    Gelungene Wortspiele erzeugen eine Lust des plötzlichen Erkennens, indem sie auf der Lautebene Begriffe verschmelzen, die auf der Bedeutungsebene nichts (oder scheinbar nichts) miteinander zu tun haben. Wenn einer oder einem ein Wortspiel gelingt, hat sie/er zunächst mal gewonnen, die Lacherinnen auf ihrer oder seiner Seite. Das gilt für feministische Wortspiele (etwa: Maskulinguistik, Penopause, Zwangerschaft, Beischlafmütze, in Penision schicken, aus der Küche austreten oder Er hat sie nach Hause beglitten) genauso wie für antifeministische (wie Herren sind herrlich und Damen dämlich oder Ohne Dings kein bums). Mit anderen Worten: Wortspiele beweisen zwar gar nichts, aber rhetorisch sind sie äußerst effektvoll, weil sie das, was jeweils als plausibel hingestellt werden soll, auch als »unmittelbar evident« erscheinen lassen: »Daß Damen dämlich oder therapists (Therapeuten) rapists (Vergewaltiger) sind, muß nicht erst bewiesen werden, mann/frau sieht es ja schon an den Wörtern selber!« Allerdings ist der Effekt von Wortspielen, gerade weil sie auf der Lautebene operieren, in der Regel nicht in andere Sprachen übertragbar. Die Sache mit den »dämlichen Damen« funktioniert nur im Deutschen und »the-rapist« nur im Englischen.
    Gegen diese Art, mit Wörtern zu spielen, ist also gar nichts einzuwenden, außer daß, wenn der Spieltrieb sich sozusagen verselbständigt, die Lesbarkeit, vor allem aber die Übersetzbarkeit beeinträchtigt wird, je mehr der Text mit Wortspielen arbeitet, um so mehr. Und da liegt nun doch auch im Falle von Mary Daly ein Haken, oder zwei: Erstens sollten Verständlichkeit und Übersetzbarkeit für eine feministische Autorin schon ein Anliegen sein — das brauche ich wohl nicht weiter zu begründen. Zweitens sind Wortspiele eigentlich ein »Gewürz«, und Gewürze erreichen ihre Wirkung allemal besser, wenn sie sparsam verwendet werden: Ein Übermaß verdirbt die Speise. Aber das ist natürlich ein ganz persönliches Geschmacksurteil — manche mögen’s eben gepfeffert oder gar versalzen. Ich dagegen konnte mich etwa mit Joyce oder Arno Schmidt nie anfreundinnen, weil mir schon ihre ewige Wortspielerei und der damit einhergehende Pseudo-Tiefsinn auf die Nerven ging, von allem andern zu schweigen.
    Wie eben ausgeführt, läßt sich also mit bloßer Ähnlichkeit/ Verwandtschaft auf der Lautebene praktisch alles »beweisen«, plausibel machen, das Feministische genauso wie das kraß Antifeministische. Je weniger das Publikum über sprachliche Zusammenhänge Bescheid weiß, um so besser gelingt der »Beweis«. Meistens denken die Leute beim Sprechen, Hören und Lesen eben nicht an Laute, sondern sind mit den Bedeutungen vollauf beschäftigt. Macht mann/frau sie dann auf (ruhig auch frei erfundene) Bedeutungszusammenhänge aufmerksam und »beweist« diese mittels des Lautzusammenhangs, sind sie »überrumpelt«, weil fasziniert.
    Damit komme ich zu dem zweiten Grund für Mary Dalys ganz spezielle Art, mit Wörtern umzugehen, mit deren rein lautlicher und/oder sprachgeschichtlicher Verwandtschaft zu argumentieren und »neue«, »wahre«, »tiefliegende«, »ursprüngliche« Sinnzusammenhänge zu postulieren. Ich habe den Eindruck, daß sie von ihren jeweiligen Entdeckungen selbst so fasziniert ist, daß sie (überrumpelt?) die grundsätzliche Begrenztheit dieser »Beweismethode« übersieht. Es ist dies eine »Schwäche«,

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