Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
Vom Netzwerk:
an einen Bruchteil der Bevölkerung, denn es steht geschrieben: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.
    All dies —
    • unsere Nationalhymne ist von A bis Z eine Hymne für einen Männergesangverein
    • unsere Volksvertretungen sind Mannsvolksvertretungen
    • die Zehn Gebote gelten nicht für Hetero-Frauen [auch nicht für Kinder und schwule Männer, übrigens]
    - und vieles andere dergleichen ist den meisten nicht bewußt, auch den meisten Frauen nicht. Wir leben buchstäblich in einem Irrenhaus — aber die meisten finden, es sei kein Irrenhaus. Sie sind in dem Irrenhaus namens Patriarchat aufgewachsen und haben nie etwas anderes kennengelernt.
    Ich möchte die Bezeichnung »Irrenhaus« etwas erläutern. Wir glauben doch alle, wir lebten in einer Demokratie. Demokratie heißt »Herrschaft des Volkes«. Wer aber herrscht, ist klar. Es ist nicht das Volk, sondern das Mannsvolk.
    Außerdem glauben wir alle, daß Frauen und Männer im wesentlichen gleich begabt sind. Heimlich mögen Männer sich weiter einbilden, sie seien viel klüger, aber laut wagt das heute kaum noch einer zu sagen, wenn er nicht durch ebendiese Behauptung das Gegenteil beweisen möchte.
    Die Begabungen eines Volkes sind — da sind wir uns doch einig — dessen größtes Kapital. Unser Volk nun wie auch alle anderen Völker lassen die Hälfte dieses Kapitals brachliegen. Das ist schlimm und grotesk genug — was aber vollends unbegreiflich ist, ist die Tatsache, daß die meisten Männer und auch die meisten Frauen diesen Skandal nicht wahrnehmen. Die Männer beteuern, hier würden keine Frauen unterdrückt, und die Frauen versichern jedem, der es hören will, sie würden nicht unterdrückt, sie nicht, und das ganze Emanzengerede sei doch reine Hysterie. Nicht die Gesellschaft ist verrückt, sondern eben die Emanzen.

    Frauen leisten weltweit zwei Drittel der Arbeit. Dafür bekommen sie ein Zehntel des Lohns. Und wir besitzen genau ein Prozent des Weltvermögens.

    Das ist keine Erfindung hysterischer Emanzen, sondern die offizielle Feststellung der UN zum Jahrzehnt der Frau, aus dem Jahre 1980.
    Es ist dies zwar ein Faktum, aber es ist nicht sehr bekannt. Bekannt ist statt dessen, daß wir in einem demokratischen Rechtsstaat leben. In diesen beiden Wörtern, demokratischer Rechtsstaat ,, kommt das Wort Mann nicht vor. Das Wort Mann kommt übrigens auch im Deutschlandlied nicht vor, sondern: das Wort Frau. Eine kluge Frau, ich glaube, es war Sophie Behr, hat dazu einmal bemerkt: In einem Italienführer würden wir auch nicht nach dem Stichwort Italien suchen, nicht wahr? Der Italienführer handelt eben von Italien, das genügt. Aber etwa italienische Kolonien, ehemalige, die könnten in einem Italienführer wohl aufgeführt sein. Und nach demselben Muster finden wir im Deutschlandlied denn auch die deutschen Frauen, besungen vom deutschen Mann. Der Mann singt es, die Frau wird besungen. Der Mann macht die Filme und das Fernsehen und den Rest der sogenannten Kultur; die Frau ist ein Gegenstand unter anderen in seinem Kulturbeutel.
    Ich wollte aber der beunruhigenden Frage nachgehen, wieso die meisten das alles normal statt irrsinnig finden, gerecht statt ungerecht. Dafür gibt es zwei einfache Erklärungen:

    1) Unterdrückung ist erst dann vollendet gelungen, wenn die Unterdrückten dasselbe glauben und wollen wie ihre Herren und die Interessen der Herren mit ihren eigenen verwechseln.
    Solange dies nicht erreicht ist, können die Herren ihre Herrschaft nicht richtig genießen, weil sie gegen den Widerstand der Unterdrückten kämpfen oder mindestens arbeiten müssen. Bezogen auf Frauen, Männer und sämtliche Aspekte der Kultur:
    Wer durchgesetzt hat, daß seine Version von Kultur als die Kultur gilt, hat gewonnen.

    2) Eine rebellische Sklavin ist keine »gute« Sklavin. Sie macht ihrem Besitzer Ärger und ihren Mitsklavinnen angst.

    Vor einigen Jahren sollte hier an der Freien Männer-Universität Berlin ein Frauen-Lehrstuhl errichtet werden, ein Lehrstuhl für Frauenforschung. Der Wissenschaftssenator, Kewenig, lehnte ab. Er fand die Idee damals nachgerade schwachsinnig. Er begründete seine Ablehnung mit dem Satz: Wir brauchen keinen Frauen-Lehrstuhl — schließlich gibt es ja auch keine Männer-Lehrstühle. Es war ihm bis dahin nicht aufgegangen, daß alle Lehrstühle an der Freien Männer-Universität Berlin wie auch an der TMU (Technische Männer-Universität) Männer-Lehrstühle sind. Nur: Sie heißen nicht so. Es ist genau

Weitere Kostenlose Bücher