Alle Menschen werden Schwestern
Spiegel bzw. der Zeit: Ich habe sie — wie auch den Spiegel- Artikel über Vollzugsbeamtinnen im Männer-Zuchthaus San Quentin und den Sierra-Titel-Aufreißer »Literatur obszön: Frauen beschreiben ihre Lust« — wegen ihrer besonderen Eignung für unsere Thematik mit einbezogen.
Neben den Artikeln über die Promis gab es auch solche über »einfache Menschen«, interessanterweise überwiegend in den Frauenzeitschriften, vor allem in Bild der Frau .Dort figurieren die männlichen Promis unter der Rubrik »Menschen« und die Frauen wie du und ich unter »Schicksale«, wobei mit »Schicksale« Schicksalsschläge gemeint sind. Auch die Frau im Spiegel hat zwei Artikel über einfache Frauen, die vom Schicksal medienreif geschlagen worden sind.
Artikel über einzelne, durch ein Schicksal geadelte einfache Männer habe ich nicht gefunden.
2 Das Prinzip »Lobe den Herrn«
2.1 Die Archetypen: Don Juan und Faust
Im Laufe meiner emsigen, wenngleich zunehmend widerwilligen Lektüre bin ich immer wieder auf Stories gestoßen, die nach Art der alten Heldensagen angelegt waren. Gepflegt wird nicht so sehr der strahlende, sondern der tragische Held. Heldenhaft und strahlend ist in der Regel seine Leistung, düster ist sein Ende. Archetyp des Spiegel- und Stern-Helden ist Don Juan, der Wüstling, mit dem es zwar ein böses Ende nahm, der aber sein ruchloses Leben tapfer und in vollen Zügen genossen hat.
Archetyp des Zefi-Helden ist dagegen Faust, der mit dem faustischen Ringen um die letzten Wahrheiten. Oder Jesus Christus — auf jeden Fall eine nicht erst am Ende, sondern von allem Anfang an tragische Gestalt. Dem Zezf-Helden haftet etwas Masochistisches an, Lebensgenuß ist ihm fremd, während der Spiegel- und Stern- Held gerade am Übermaß des Genusses tragisch eingeht.
2.2 Typische Heldensagen in >Spiegel< und >Stern<
Das Stern- Buch Hemingway und die Frauen von Viktor Schüller wird wie folgt angepriesen: »Das hat’s vor ihm noch nie gegeben: Ein Schriftsteller populär wie ein Filmstar. Ernest Hemingways extravagantes und gefährliches Leben kann sich durchaus mit dem eines Leinwand-Helden messen. Frauen held und Abenteurer, Whiskysäufer und Großwildjäger — und dann auch noch Schriftsteller und Dichter?« 132 (m. H.)
Wir lernen: Hemingway wußte sein Leben zu genießen und produzierte dennoch Weltliteratur. Schauen wir uns denselben Helden aus der Sicht des Spiegel an:
[...] kein Schriftsteller dieses Jahrhunderts hat seine Zeitgenossen dermaßen fasziniert [die Frage sei erlaubt: etwa auch die Zeitgenossinnen?], keiner auch hat je sich so bravourös in Szene gesetzt wie »Old Hem«, der Champion an der Schreibmaschine, der hartgesottene, verwegene, fröhlich über die Stränge schlagende Krieger, Boxer, Stierkampf-Aficionado, Hochseefischer und Großwildjäger von den grünen Hügeln Afrikas.
Als er aber in aller Welt so berühmt war, wie ein Autor nur berühmt sein konnte, wurde er ein trauriger alter Mann, zerrüttet von Alkohol und schweren Depressionen, von Vernichtungsängsten und Todessehnsüchten heimgesucht, und eines Morgens im Juli 1961, da gerade die Sonne aufging hinter den kahlen Bergen von Sun Valley, Idaho, schlich er sich aus dem Schlafzimmer, tappte hinab in den Keller zu den Waffen, lud eine der doppelläufigen Jagdflinten und schoß sich im Windfang das Gehirn aus dem Schädel.
Fast drei Jahrzehnte sind vergangen, seit ihm die letzte Stunde schlug, doch unvergessen, überlebensgroß, ragt er noch immer empor vor den Augen der Nachwelt, ein tragischer Held des amerikanischen Traums, dessen Legende sich bis in die Gegenwart hinein fortspinnt […] 133
Der Üblicherweiser eher nüchterne Spiegel verliert sich bei diesem Heldengesang in Lyrismen und Schwärmerei...
Ein anderer genialer Wüstling war Richard Burton, den uns der Spiegel wie folgt präsentiert:
Er war schon damals ein verrufenes Subjekt, jähzornig und aggressiv, ein Kerl von wahrhaft animalischer Sexualenergie und einer der gewaltigsten Trunkenbolde in der Geschichte der organischen Natur. Dem Kollegen Stewart Granger hatte er mühelos dessen zierliche Gefährtin Jean Simmons ausgespannt; in seiner Studio-Garderobe waren Scharen nackter Frauen gesichtet worden [...]
Im Vereinigten Königreich war der Wüstling auch schon einschlägig bekannt, aber vor allem als genialischer Shakespeare-Schauspieler. Der Junge »hat den Teufel im Leib«, so ächzten die Londoner Theatermacher, wenn Burton — stark betrunken —
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