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Alle Menschen werden Schwestern

Alle Menschen werden Schwestern

Titel: Alle Menschen werden Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luise F. Pusch
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wie mit dem Geld: Man spricht nicht davon, man hat es eben. Vom männlichen Geschlecht spricht man nicht — man hat es eben. Diejenigen, die es nicht haben, das männliche Geschlecht oder das Geld, haben eben Pech gehabt.

    Heike Sander, Initiatorin dieser Veranstaltung, schreibt in ihrem Thesenpapier:

    Es soll der Frage nachgegangen werden, wieso diese selbstverständliche Tradierung männlicher Dominanz nicht Männern selbst als Mangel bewußt wird [ich füge hinzu, sicher mit Heikes Einverständnis: Es wird auch Frauen nicht als Mangel bewußt, in der Regel]. Es wird der Skandal erörtert, der darin liegt, daß Männer ständig den Teil für das Ganze ausgeben und sich deshalb anmaßen, für Menschen allgemein zu sprechen und doch nur sich meinen.

    Gott ist Mensch geworden, aber nicht Frau. Das wäre auch wirklich zu lächerlich gewesen. Und dieser menschgewordene Gott, Jesus, hat dann stellvertretend die Sünden der Menschheit auf sich genommen. Hätte er die Menschheit auch richtig vertreten können, wenn er eine Frau oder schwarz oder gar beides gewesen wäre?
    • Die Affen sind »unsere haarigen Vettern«, niemals »unsere haarigen Cousinen«.
    • Ein Hund, egal ob Männchen oder Weibchen, macht Männchen, wenn er sich »wie ein Mensch« aufrichtet.
    • Wenn kleine Kinder oder auch Erwachsene menschenähnliche Figuren aufs Papier kritzeln, heißt es, wir malen »Strichmännchen«.
    • Die menschenähnlichen Wesen, die auf dem Mars vermutet werden oder wurden, heißen »Marsmännchen«.
    Immer und immer und immer wieder dasselbe: Der typische Mensch, derjenige, der die Gattung als solche vertreten kann, ist der Mann. Wie ist das nur möglich, wo wir doch alle genau wissen, daß die Gattung Mensch aus zwei Geschlechtern besteht und daß das weibliche Geschlecht zahlenmäßig überwiegt, biologisch das ursprüngliche und überdies das lebensfähigere ist?
    Eine theoretische Erklärung für dies eigenartige Phänomen, diesen »Wahnsinn mit Methode«, wurde erst in den letzten Jahren gefunden, und zwar — es überrascht kaum — von einer Frau, der US-amerikanischen Psychologin Eleanor Rosch 131 . Ihre Forschungsergebnisse, bekannt unter dem Namen »Prototypentheorie«, revolutionierten die seit Jahrtausenden, von Aristoteles bis Wittgenstein, gültigen Theorien über die menschliche Begriffsbildung, ja über das menschliche Denken überhaupt.
    Wurde in der klassischen Logik bisher angenommen, daß, grob gesprochen, die Mitglieder einer Klasse dieser Klasse alle gleichberechtigt angehören, so konnte Eleanor Rosch nachweisen, daß dieses Strukturmodell vielleicht logisch sein mag, aber empirisch unangemessen ist. Die Menschen denken ganz anders!
    Unter den Mitgliedern jeder Kategorie gibt es nämlich solche und solche. »Gute«, »typische« Beispiele für die Kategorie als Ganzes — und schlechte. Nehmen wir z. B. die Kategorie Vogel. Gute Beispiele sind etwa der Spatz und der Adler, nicht so gute Beispiele sind etwa die Eule, das Huhn, die Ente, der Pinguin und der Vogel Strauß. Ente und Pinguin sind in unserem Denken eher so etwas wie »eine Art Vogel«; sie werden fast nie genannt, wenn bei einem Test jemand spontan einen Vogel nennen soll.
    Oder nehmen wir die Klasse der Stühle. Der typische Stuhl ist der Küchen- oder Eßzimmerstuhl. Nicht typisch sind dagegen Zahnarztstühle, Schaukelstühle, Rohrstühle, Drehstühle. Ganz untypisch ist der elektrische Stuhl und erst recht der gynäkologische. Der gynäkologische Stuhl ist höchstens »eine Art Stuhl«, die Frau höchstens »eine Art Mensch«, im männlichen Denken sowieso — leider aber auch in unserm eigenen.
    Offenbar hat Prototypizität etwas mit Häufigkeit des Vorkommens, mit Präsenz und über die Präsenz mit Vertrautheit zu tun. Im Patriarchat sind Männer omnipräsent — wir brauchen ja nur mal das Fernsehen einzuschalten, dann bekommen wir mehr Männer zu sehen als jemals »im wirklichen Leben«. In der Sprache, jenem Medium, das allen anderen Medien zugrunde liegt, haben Männer es mittels einer ehernen Grammatikregel dahin gebracht, daß jede noch so riesige Frauenmenge symbolisch zu einer Männermenge wird, sowie ein einziger Mann hinzukommt. 99 Schauspielerinnen und ein Schauspieler sind auf deutsch zusammen 100 Schauspieler. 100 Schauspieler (darunter können, wie gesagt, ruhig bis zu 99 Frauen sein) — 100 Schauspieler und ein Regisseur dagegen sind zusammen hundert Schauspieler und ein Regisseur. Auch sind zwei Italiener und

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