Alle müssen sterben - Thriller (German Edition)
charakteristischen harten slawischen Akzent. „Was ist mit ihm?“ Verwirrt schüttelte sie den Kopf und ihre faserigen Haare zischten wie dünne Schlangen durch die Luft. „Wo ist er? Wieso bringt er mich nicht nach Hause? Was passiert hier überhaupt?“
„Dominik ist schwer verletzt. Ich soll dich nach Hause bringen“, versuchte Braun die plötzlich so aufgeregte Lenka zu beruhigen, doch diese war bereits aufgestanden und hatte sich in die schmierige Plüschdecke gewickelt. Der leblose Ausdruck war aus ihren Augen gewichen und als sie sich zwischen Braun und Petersen drängte, konnte Braun den Wahnsinn erkennen, der ganz hinten in ihren Pupillen glomm.
„Er ist tot“, flüsterte sie und grinste mit ihren schwärzlichen Zähnen, die sich durch das Crystal Meth innerhalb weniger Tage verfärbt hatten. „Das Schwein hat ihn ermordet!“ Noch immer starrte sie Braun direkt ins Gesicht und wies nur mit der Hand nach hinten zum Heizkörper, an dem Petersen hing. Auf Braun wirkte sie völlig widersprüchlich. Einerseits waren ihre Worte von einer erstaunlichen Klarheit, andererseits schlummerte in ihren Augen ein verräterischer Glanz, der unterdrückte Wut, Verzweiflung und Aggression signalisierte und wie ein Vulkan kurz vor dem Ausbruch wirkte. Lenkas Gesicht war eingefallen und in der kurzen Zeit, seit sie Braun das letzte Mal gesehen hatte, schien sie um Jahre gealtert, doch noch immer waren ihre Züge ausgesprochen hübsch und ihre Haut trotz der vom Crystal Meth verursachten Pickel bleich und zart. Gruber hatte Braun einmal erzählt, dass Lenka wie eine Doppelgängerin einer verstorbenen Schulfreundin von ihm aussah, die an einer Überdosis gestorben war. Deshalb auch Grubers irrationale Anteilnahme an Lenkas Schicksal und sein krankhaftes Hineinsteigern, um sie von den Drogen loszubekommen.
„Ich weiß nicht, ob Dominik tot ist“, sagte Braun vorsichtig, um Lenka mit der Wahrheit nicht aufzuregen. „Ich bringe dich jetzt in Sicherheit. Alles wird gut“, fügte er hinzu und griff behutsam nach Lenkas Arm, um sie von Petersen wegzuschieben.
„Nichts wird gut“, sagte Lenka. Sie schüttelte ihre dünnen, faserigen Haare und wiederholte monoton wie eine hängen gebliebene Vinylschallplatte: „Nichts wird gut! Nichts wird gut!“ Immer wieder „Nichts wird gut!“ Langsam wich sie von Braun zurück, stolperte über Petersens ausgestreckte Beine und schrie auf.
Petersen nutzte die Chance, packte Lenka an den Haaren, riss sie zu sich auf den Boden, doch sie kreischte hysterisch und fuhr ihm mit ihren schmutzigen Fingernägeln in die Augen. Petersen zuckte reflexartig mit dem Kopf zurück, knallte gegen den Heizkörper, ließ aber nicht los. Lenka kreischte noch immer durchdringend, beugte sich zum Schreibtisch vor, um sich aus der Umklammerung zu winden. Sie erwischte ein offenes Klappmesser, mit dem sich Petersen noch kurz zuvor die Fingernägel gereinigt hatte, und stürzte sich damit wieder zurück auf Petersen.
Braun schnellte nach vorn, packte sie am Arm und versuchte sie wegzustoßen, doch Hass und Wahnsinn dopten Lenka mit unglaublicher Kraft. Er verlor seine Glock und die Decke, die von Lenkas Schultern gerutscht war, verhedderte sich zwischen seinen Beinen und für einen kurzen Moment musste er Lenkas Arm loslassen, um nicht zu stürzen.
Genau dieser Augenblick, der nicht länger als ein Wimpernschlag war, reichte Lenka, um Petersen das Klappmesser mitten in den Hals zu rammen und mit einem einzigen Schnitt die Halsschlagader zu durchtrennen.
Hysterisch lachend ließ sie sich dann von Braun widerstandslos zurückdrängen und rollte mit dem blutigen Messer über den Boden. Mit seinen Fingern versuchte Braun das Blut zu stoppen, das wie eine Fontäne aus Petersens Hals spritzte, und er steckte zwei Finger wie einen Pfropfen in dessen Schlagader. Petersen starrte ihn mit entsetzten Augen an und klopfte unkontrolliert zuckend mit der Handschelle einen Todesrhythmus gegen den Heizkörper.
„Ruf einen Notarzt!“, brüllte Braun zu Lenka, während ihm das Blut über die Finger tropfte und Petersens Leopardensakko mit einem psychedelischen Muster überzog. „Los, mach schon! Sonst stirbt er! Er darf nicht sterben, ich brauche noch sein Geständnis!“, schrie Braun.
Doch Lenka stand regungslos in der Mitte des Zimmers, nackt und dürr, bleckte ihre verfaulten Zähne und starrte auf das blutige Klappmesser, so als würde sie es zum ersten Mal sehen.
„Verdammt, Lenka!“, schrie Braun jetzt
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