Alle müssen sterben - Thriller (German Edition)
mir immer scheußlich übel, aber du kannst mich ablenken. Wollten wir nicht gemeinsam ins Kino gehen? Erfinde einen Film nur für uns beide, schaffst du das? Ich ...“
Kims Worte gingen in ein langes Seufzen über und Braun war sich nicht sicher, ob sie bloß müde war oder etwas anderes nicht stimmte. Sie sprach nie über ihren Aufenthalt in der Reha und als Braun – natürlich vergeblich – einmal die Station angerufen hatte, um als Polizist vielleicht Informationen zu erhalten, da war Kim richtig wütend geworden und hatte eine ganze Woche nicht auf seine Anrufe reagiert. Jetzt aber wollte Kim eine Geschichte hören, die sie ablenkte.
„Ein Mann und eine Frau treffen sich immer in ihren Träumen. Gemeinsam erleben sie dort immer die tollsten Abenteuer, doch jedes Mal, wenn sie sich berühren möchten, wachen sie auf und finden sich alleine in der Wirklichkeit wieder. Deshalb beschließen sie, mit einer hohen Dosis Schlafmittel ihre Träume zu verlängern, um über den Punkt des Berührens hinauszugelangen. Doch leider nimmt sie eine zu starke Dosis von dem Schlafmittel und stirbt. Als der Mann erwacht, steht sie plötzlich vor ihm und bleibt für immer.“
„Braun, du bist nicht gut im Erfinden von Geschichten. Das ist doch total deprimierend“, unterbrach ihn Kim leise und schleppend. „Erzähle mir lieber, an welchem Fall du gerade arbeitest.“
„Du hast doch sicher von dem Flammenkiller in Gmunden gehört. Das ist mein aktueller Fall und der entwickelt sich ein wenig merkwürdig.“ Obwohl er gegen alle polizeilichen Richtlinien verstieß, berichtete Braun detailliert über den Stand ihrer Ermittlungen. Kim unterbrach ihn kein einziges Mal und als Braun geendet hatte, war Stille am anderen Ende.
„Kim, bist du noch dran?“ Doch sie meldete sich nicht und Braun sprang auf, brüllte in sein Handy, überlegte, ob er den Notarzt anrufen sollte, doch dann tauchte wieder Kims Stimme auf, undeutlich, so als würde sie durch eine Luftblase sprechen, hinter einer unsichtbaren Wand stehen, die sie vom übrigen Leben abschnitt und isolierte.
„Braun, die Nebenwirkungen, ich habe doch zuvor davon gesprochen. Ich weiß nicht, ob ich das noch lange so weitermache.“
„Wie meinst du das?“ Braun blieb vor einem seiner Schallplattenregale stehen, fingerte planlos eine Schallplatte heraus, doch das bunte Cover hatte plötzlich jede Bedeutung verloren, es war nur bedruckter Karton, der das schwarze Vinyl schützte.
„Ich will nicht darüber sprechen!“
„Aber du kannst jetzt nicht einfach aufhören, wir müssen uns doch noch auf einen Urlaubsort einigen, wenn du wieder unter den Lebenden weilst“, versuchte Braun unbekümmert flapsig zu klingen.
„Unter den Lebenden ... Du bist echt scheiße drauf, Braun. Ich bin noch nicht tot.“
„Tut mir leid, ich wollte dich ja bloß aufmuntern!“
Plötzlich hörte Braun ein lautes Kratzen an der Eingangstür. Ein Schlüssel wurde vorsichtig in das Schloss geschoben, schien nicht zu passen, der nächste Schlüssel folgte. Da waren Profi-Einbrecher mit nachgebauten Universalschlüsseln am Werk. Braun huschte schnell an dem Schallplattenregal entlang, bis zu einer schmalen Konsole, auf der sein Technics-Plattenspieler aufgebaut war. Mit zwei Fingern zog Braun die Glock aus der Lade darunter.
„Bleib dran, Kim“, flüsterte er in das Handy. „Ich glaube, ich bekomme ungebetenen Besuch!“
„Braun, pass auf dich auf!“ Unbewusst begann auch Kim ganz leise zu sprechen, so als würde sie neben ihm stehen. Dann legte er das Handy auf die Konsole und lauschte mit angehaltenem Atem.
Weitere Schlüssel wurden ausprobiert und plötzlich sprang das Sicherheitsschloss mit einem leisen Klacken auf und die Tür zu Brauns Wohnung schwang lautlos auf. Eine dunkle Gestalt schlich gebückt in die Wohnung, drückte sich an der Wand entlang. Braun stand hinter der Wohnzimmertür, entsicherte vorsichtig seine Glock, ging seine Möglichkeiten im Kopf durch und entschied sich für den Überraschungsmoment. Mit einer Stiefelspitze knallte er die Tür auf, sprang breitbeinig in den Gang und betätigte mit der linken Hand den Lichtschalter, während er mit seiner Glock auf den Einbrecher zielte.
„Halt! Polizei! Legen Sie die Hände an die Wand!“
Der Einbrecher schrie laut auf, ließ vor Schreck seinen Rucksack fallen, drehte sich um, streifte die Kapuze von seiner schwarzen Technojacke und Braun starrte in das Gesicht seines vierzehnjährigen Sohnes Jimmy.
„Hast du
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