Alle müssen sterben - Thriller (German Edition)
sie noch alle, Tony!“, schrie der Junge. „Du hättest mich beinahe erschossen!“
„Ich dachte, du schläfst längst!“ Braun war genauso verblüfft wie sein Sohn Jimmy. Hastig steckte er die Glock hinten in seinen Hosenbund und ging zurück in das Wohnzimmer, wo Kim noch immer am Handy auf ihn wartete.
„Was war los, Braun?“, fragte sie aufgeregt.
„Mein Sohn ist soeben nach Hause gekommen, ich habe ihn für einen Einbrecher gehalten!“ Braun blickte wütend auf Jimmy, der im Türrahmen lehnte und die Augen verdrehte. Am Kinn hatte er eine dicke rote Strieme, die von einem Schlag herzurühren schien, und die Knöchel seiner Hände waren aufgeschürft und blutverkrustet.
„Jimmy scheint sich geprügelt zu haben, Kim“, sagte Braun ins Telefon, so als wäre Kim die Mutter und er müsse ihr Bericht über den missratenen Sohn erstatten.
„Dann ist es besser, wenn wir unser Gespräch beenden“, entschied Kim und Braun konnte förmlich spüren, wie sie das Handy senkte.
„Nein, Kim!“, brüllte er. „Leg bitte nicht auf. Ich spreche mit Jimmy, wenn wir mit unserem Telefonat fertig sind.“ Er hielt eine Hand über den Lautsprecher. „Ich komme dann zu dir, Jimmy!“, rief er seinem Sohn zu, der angewidert den Mund verzog und ihm den Mittelfinger zeigte. Doch Braun ließ sich nicht provozieren, sondern widmete sich wieder seinem Gespräch mit Kim.
Nachdem sie sich zehn Minuten lang wieder nicht über ein Reiseziel einigen konnten, war es an Kim, das Telefonat zu beenden.
„Braun, ich muss jetzt aufhören. Der Stationsarzt kommt, um meine Werte zu überprüfen.“
„Wieso macht er das mitten in der Nacht? Es ist doch nichts Schlimmes?“
„Das ist echt lieb von dir, Braun. Aber ich bin in einer Reha-Klinik, die auf Fälle wie mich spezialisiert ist, und der Stationsarzt probiert eine neuartige Therapieform aus, bei der man die Veränderungen stündlich checken muss.“ Kim machte eine kurze Pause und räusperte sich. „Da bin ich wirklich in guten Händen.“
„In guten Händen, wie sich das anhört“, schnaubte Braun und verwünschte sich im selben Augenblick für diese dämliche Äußerung.
„Du wirst doch nicht eifersüchtig sein, Braun“, Kims Stimme wurde noch eine Nuance tiefer, rauer – einfach total sexy. „Der einsame Wolf ist eifersüchtig auf den Arzt einer Frau, die er nie besuchen darf! Wie romantisch!“
Braun legte den Kopf in den Nacken und musste lächeln. Plötzlich fühlte er sich frisch und ausgeruht, das Telefonat wirkte wie ein Aufputschmittel.
„Ich bin nicht eifersüchtig, aber mir liegt natürlich etwas an dir, schließlich haben wir ja einiges gemeinsam erlebt“, versuchte er sich diplomatisch aus der Affäre zu ziehen.
„Da hast du recht, Braun“, schnurrte Kim wie ein zufriedenes Raubtier. „Mir liegt auch viel an unseren nächtlichen Gesprächen. Ruf mich um zwei Uhr morgens wieder an.“
„Wir können uns ja am Wochenende treffen?“, machte Braun einen neuerlichen Versuch, doch Kim ignorierte seine Frage.
„Also bis zwei Uhr morgens. Wenn die Schatten der Wirklichkeit bereits schlafen, dann finden die einsamen Herzen im Traum zueinander.“
„Oh, das klingt aber sehr poetisch, Kim!“
Sie lachte laut auf, tief und kehlig. „Das ist doch deine Geschichte von vorhin, Braun. Die hat mir gut gefallen. Sehr gut sogar.“
Dann herrschte plötzlich Stille. Kim hatte die Verbindung getrennt.
„Du bist noch nicht mal fünfzehn Jahre alt“, sagte Braun und ging im Zimmer seines Sohnes Jimmy auf und ab. Nach dem Telefonat mit Kim war seine Wut verraucht und er machte sich Sorgen um seinen Jungen. „Um zwei Uhr morgens schleichst du wie ein Dieb in die Wohnung. Wo bist du gewesen? Wieso sagst du mir nicht, was du den ganzen Tag so treibst!“
„Mach einfach mal eine Pause, Tony!“ Jimmy lag mit seinen nassen Sneakers auf dem Bett, spielte mit seinem wuchtigen Kopfhörer, getraute sich aber doch nicht, ihn aufzusetzen, die Musik aufzudrehen und seinen Vater zu ignorieren. „Ich war noch ein wenig mit Freunden unterwegs!“
„Freunde, was sind das für Freunde?“
Kims Stimme verblasste immer mehr und Braun hätte viel darum gegeben, das Telefonat noch länger nachwirken zu lassen, stattdessen musste er sich mit seinem pubertierenden Sohn auseinandersetzen.
„Ich habe dich etwas gefragt!“, brüllte er und riss Jimmy den Kopfhörer aus der Hand. Wütend sprang dieser auf, drehte sich auf einem Bein um die eigene Achse, das andere hatte
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