Alle muessen sterben
Marihuana-Zigarette saugte. „Ein berühmter Dichter hat einmal gesagt: Ich ist ein anderer. Genauso verhält es sich mit Chloe. Ihr anderes Ich sammelt diese Artefakte, die sie wahrscheinlich für Schmuck hält. Sie selbst weiß nichts davon.“ Goldmann räusperte sich. „Um auf Ihre anfangs gestellte Frage zurückzukommen, Braun: Chloe Darbo ist auf keinen Fall eine Mörderin. Dazu ist sie viel zu unorganisiert, zu wenig zielorientiert.“
Abrupt beendete der Psychiater Goldmann das Telefonat, gerade als Braun an dem Schloss vorbeifuhr, in dem sich die Modeschule „Herzblut“ befand. Im Regen sah das Schloss noch düsterer und trostloser aus, als er es in Erinnerung gehabt hatte. Braun hielt den Range Rover an und blickte auf den Schlossturm, der wie ein mahnender Finger in den düsteren Himmel zeigte. Die Schießscharten-Fenster ganz oben waren dunkel, dort hatte sich Dimitri di Romanow das Leben genommen. Die polizeilichen Ermittlungen hatten sein Leben zerstört. Chiara hatte herausgefunden, dass er wegen eines Todesfalls in Tallinn fünf Jahre im Gefängnis gewesen war und dass es einen Zeugen gab, der ihn in der Mordnacht in der Nähe des Yachthafens gesehen hatte. Warum war Dimitri dort gewesen, wenn er nicht vorhatte, Tim Kreuzer zu töten?
Wenigstens hatte Chiara das Geheimnis um den dressierten Wolf von Chloe gelöst. Die Spurensicherung hatte die grauen Haare, die bei der Leiche von Jonas Blau gefunden worden waren, analysiert und festgestellt, dass es sich um die Haare einer seltenen Schäferhund-Rasse handelte. Chiara hatte die Fotos von drei infrage kommenden Hundetypen an Braun gemailt und dieser hatte sofort den vermeintlichen Wolf darunter erkannt, der ihn vor dem Schloss angefallen hatte. Deshalb war er auch nach Gmunden gefahren, um Chloe zu fragen, wie die Hundehaare auf die Kleidung von Jonas Blau gekommen waren. Die Hundehaare waren zwar kein Beweis, denn es konnte ja noch andere Hunde derselben Rasse geben, aber an einen derartigen Zufall glaubte Braun nicht. Doch er hatte Chloe nicht angetroffen und musste deshalb unverrichteter Dinge wieder zurück nach Linz fahren. Während der Fahrt fiel ihm ein, dass der Psychiater Goldmann nur Privatpatienten behandelte. Woher hatte denn Chloe das Geld für eine teure Therapie?
„Ich bin’s nochmal, Tony Braun“, sagte er, als Goldmann sich meldete. „Behandeln Sie Chloe Darbo eigentlich kostenlos?“
„Wie kommen Sie darauf, Braun?“ Goldmann klang ehrlich überrascht. „Das Geld wird nach jeder Sitzung anstandslos überwiesen!“
„Chloe überweist Ihnen das Geld? Kommen diese Überweisungen von Chloes eigenem Konto?“, fragte Braun mehr als skeptisch. „Ist sie überhaupt in der Lage, Bankgeschäfte durchzuführen?“
„No comment, Braun! Das fällt alles unter die ärztliche Schweigepflicht. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich erwarte einen Patienten.“
Als Goldmann aufgelegt hatte, telefonierte Braun mit Chiara, doch diese war noch nicht dazugekommen, sich mit der Vergangenheit von Chloe Darbo zu beschäftigen.
Obwohl er Chloe nicht erreicht hatte, war Braun motiviert und voller Energie. Das lag hauptsächlich an dem umfangreichen Modemagazin, das er von dem Gefangenen erhalten hatte und das auf dem Beifahrersitz lag. Jetzt hatten sie tatsächlich einen völlig neuen Ansatz und konnten in eine gänzlich andere Richtung ermitteln. Der lähmende Kreislauf war durchbrochen, jetzt hatten sie wieder ein Ziel.
Braun kam mit dem voluminösen Modemagazin unter dem Arm zurück in die schwarze Halle und trommelte sofort sein Team zusammen.
„Seht einmal alle genau hin!“, rief er und blätterte hektisch das Magazin durch, hielt inne, riss hier und da eine Seite heraus, pinnte sie an die Wand. Als er die ratlosen Gesichter seiner Mitarbeiter sah, verdrehte er die Augen.
„Denkt doch mal ein wenig nach!“, rief er und hielt eine Anzeige aus dem Magazin direkt neben ein Foto des brennenden Tim Kreuzer auf dem Segelboot. „Na, fällt jetzt endlich der Groschen?“
„Das ist fast das gleiche Motiv!“ Bruno Berger schüttelte überrascht den Kopf. „Wie bist du darauf gekommen? Nie im Leben hätte ich einen Blick in ein Modemagazin geworfen!“
„Das ist aber noch nicht alles!“ Braun spürte die Energie, die seinen Körper durchflutete, und wusste, dass sie im Begriff waren, einen entscheidenden Schritt vorwärts zu machen. Er pinnte die nächste Anzeige an die Wand.
Wieder ging ein erstauntes Raunen durch sein
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