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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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Souveräne, die Mächtige, die Coole, die Kränkungen auf diese Weise in Siege verwandeln kann.
    Wirklich bestraft hast du mich einzig mit deiner Sprachlosigkeit. Was uns bis heute miteinander verbunden und aneinander gebunden hat, waren – Worte. Emmi, wenn dir noch etwas an mir liegt, dann rede mit mir! Leo.
     
    Drei Stunden später
    RE:
    Worte willst du? Okay, einen Mundvoll habe ich noch, den schenke ich dir, ich kann nichts mehr damit anfangen.
    Du hast Recht, Leo. Ich wollte es Bernhard beweisen. Ich wollte es dir beweisen. Ich wollte es mir beweisen. Jetzt weiß ich es: Ich kann betrügen. Mehr noch, ich kann Bernhard betrügen. Mehr noch, ich kann Bernhard mit DIR betrügen. Mehr noch, die größte Leistung, ich kann mich dabei gleich mitbetrügen, ja, das kann ich wohl am allerbesten. Danke übrigens, dass du »mitgespielt« hast. Ich weiß, Leo, es war nicht deine Zügellosigkeit, es war dein Mitgefühl. Du hattest mir angeboten, die Hälfte meiner Gefühle zu übernehmen. Diese Aufgabe hast du gestern früh in Anbetracht der angespannten Situation bravourös gemeistert. Geteiltes Bett – halbes Bett. Geteiltes Leid – doppeltes Leid.
    Du hast Recht, Leo. Mir geht es heute nicht besser. Mir geht es beschissener als je zuvor.
    Leo, du kannst dir nicht vorstellen, was »ihr« mir angetan habt. Ich fühle mich verraten und verkauft. Mein Ehemann und mein virtueller Liebhaber, die hatten hinter meinem Rücken einen Pakt geschlossen: Wenn mich der eine einmal leibhaftig spüren will, dann drückt der andere ausnahmsweise ein Auge zu. Wenn der eine dann für immer verschwindet, darf mich der andere für immer behalten.
    Der eine gibt mich wie ein Fundstück meinem Ehemann, dem rechtmäßigen Besitzer zurück. Der andere gönnt mir dafür »die greifbare Begegnung« – ein sexuelles Abenteuer mit einer sonst so virtuellen Liebesfantasiegestalt, quasi als Finderlohn. Korrekte Teilung, perfekte Trennung, perfider Plan. Und die debile Emmi, gleichermaßen familienhörig wie getrieben von Abenteuerlust, wird niemals ein Sterbenswörtchen davon erfahren. Jaja.
    Leo, was das für mich und Bernhard bedeutet, kann ich noch gar nicht abschätzen. Du wirst es vermutlich auch nicht erfahren. Was es für »uns« beide bedeutet? Das kann ich dir sofort sagen. Und für dich, der aus meinem Inneren zu lesen befähigt sein sollte wie kein anderer Mensch, für dich kann daran doch kein Zweifel bestanden haben, oder? Leo, sei nicht naiv. Es gibt kein »Wunder mit vier Buchstaben«. Es gibt nur eine logische Konsequenz, bestehend aus vier Buchstaben. So oft haben wir ihr entgegengezittert. So lange haben wir sie hinausgezögert, darüber hinweggetäuscht und daran vorbeigeschrieben. Jetzt hat sie uns eingeholt, und es liegt an mir sie zu verkünden: ENDE.
     

KAPITEL NEUN

 
    Drei Monate später
    Betreff: Ja, ich
    Hallo Leo. Die diplomierte Pflegerin meiner angekratzten Psyche meint, ich könnte dich einmal fragen, wie es dir geht. Also, wie geht es dir? Was darf ich der fürsorglichen Frau Therapeutin ausrichten? Doch nicht etwa: ACHTUNG. GEÄNDERTE E-MAIL-ADRESSE (...)? Gruß, Emmi.
     
    Drei Tage später
    Betreff: Ich, noch einmal
    Hallo Leo, ich habe meiner Therapeutin gerade am Telefon meine Dienstag-E-Mail an dich vorgelesen. Sie meint, ich dürfe mich nicht wundern, dass ich keine Antwort erhalte. Ich darauf: »Ich wundere mich ohnehin nicht.« Sie darauf: »Aber Sie wollen doch wissen, wie es ihm geht.« Ich: »Schon.« Sie: »Dann müssen Sie ihn so fragen, dass eine Chance besteht, dass Sie es erfahren.« Ich: »Ah so. Aber wie frage ich da am besten?« Sie: »Freundlich.« Ich: »Ich fühle mich aber nicht freundlich.« Sie: »Doch, Sie fühlen sich freundlicher, als Sie sich’s eingestehen. Sie wollen nur nicht, dass er glaubt, dass Sie sich freundlich fühlen.« Ich: »Was er glaubt, ist mir egal.« Sie: »Das glauben Sie aber selbst nicht!« Ich: »Da haben Sie Recht. Sie sind eine gute Menschendurchschauerin.« Sie: »Danke, mein Job.« Ich: »Also, was soll ich tun?« Sie: »Erstens: Tun Sie, wovon Sie glauben, dass es gut für Sie ist. Zweitens: Fragen Sie ihn freundlich, wie es ihm geht.«
     
    Fünf Minuten später
    Betreff: Ich, noch ein zweites Mal
    Hallo Leo, jetzt einmal ganz freundlich: Wie geht’s?
    Ich kann es noch freundlicher: Hallo Leo, wie geht es dir?
    Und eine weitere Freundlichkeitssteigerung ist möglich: Liiiiieber Leo, wie geht es dir, wiiiiiiie geht es dir, wie geht es dir denn so, wie

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