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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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war Weiiihnachten, was bringt das neue Jaaahr, was macht das Leeeeben, was macht die Liiiiiebe, was macht»Pam«, Verzeihung, Pääämäääla? Maximal freundliche Grüße, Emmi.
     
    Zwei Stunden später
    Betreff: Ich, noch ein drittes Mal
    Hallo Leo, ich schon wieder. Vergiss bitte den Schwachsinn, den ich dir vorhin zugemutet habe. Aber soll ich dir etwas verraten? (Ist eines meiner Leo-Lieblingszitate. Dazu stelle ich mir dich immer volltrunken vor.) Soll ich dir etwas verraten? – Schreiben tut mir einfach gut!
    Morgen werde ich meiner Therapeutin sagen, dass ich ihm geschrieben habe, dass mir schreiben einfach guttut. Sie wird erwidern: »Das war aber nur die halbe Wahrheit.« Ich: »Was wäre die ganze gewesen?« Sie: »Sie hätten korrekterweise schreiben müssen: DIR zu schreiben tut mir einfach gut.« Ich: »Ich schreibe ja sonst niemandem. Schreibe ich also, schreiben tue mir einfach gut, dann meine ich automatisch, IHM zu schreiben tue mir einfach gut.« Sie: »Das weiß er aber nicht.« Ich: »Doch, er kennt mich.« Sie: »Das würde mich wundern. Sie kennen sich ja selbst nicht, darum sind Sie auch bei mir gelandet.« Ich: »Wie ist doch gleich Ihr Stundensatz für Beleidigungen dieser Art?«
    Leo, alles rundherum ist in Veränderung begriffen, nur die Buchstaben hier sind die gleichen. Es tut mir gut, (mich) daran festzuhalten. Ich habe das Gefühl, ich bleibe mir wenigstens auf diese Weise treu. Du musst mir nicht antworten. Ich glaube, es ist sogar besser, wenn du es nicht tust. Unser gemeinsamer Zug ist abgefahren, »Boston« (und wie es dazu kam) hat mich mit einjähriger Verspätung aus der Bahn geworfen. Ich sitze in einem düsteren Abteil eines völlig neuen Waggons und versuche mich erst einmal zu orientieren. Keine Ahnung, wo die Fahrt hingeht, die Stationen sind noch nicht eingezeichnet, selbst die Richtung ist nur vage vorgegeben. Wenn ich aus dem kleinen Fenster mit der matten Scheibe sehe, an dem die Landschaft vorbeizieht, dann würde ich dirgelegentlich gerne mitteilen dürfen, ob ich etwas erkenne und was es sein könnte. Geht das in Ordnung? Ich weiß, dass meine Impressionen bei dir gut aufgehoben sind. Und wenn du mir einmal von deiner Bahnreise erzählen willst, von deiner Erlebnisfahrt im »Pam«-Express – ich höre zu. Also dann: Tschüss und warm anziehen, der Winter bricht angeblich wieder ein. Kalte Zugluft macht den Hals starr und das Blickfeld klein. Man sieht nur geradeaus zum vermeintlichen Ziel und nicht zur Seite, wo die Augenblicke stattfinden, für die es sich lohnt, die Fahrt zu bestreiten. Emmi.
     
    Zwei Tage später
    Betreff: Verrate mir nur ...
    ... ob du meine E-Mails
    a.) ungelesen löscht.
    b.) liest und löscht.
    c.) liest und aufhebst.
    d.) gar nicht bekommst.
     
    Fünf Stunden später
    AW:
    c
     
    Am nächsten Morgen
    Betreff: Gute Wahl!
    Die beste Wahl, Leo! Und wie ausführlich du sie zu beschreiben, zu begründen und zu gestalten vermagst! Äh, hast du dir bei deiner Erwiderung einen Schreibkrampf mit Sehnenscheidenentzündung im Handgelenk zugezogen oder kommt noch was? Freundlicher Gruß, Emmi.
     
    Zwei Tage später
    Betreff: C-Analyse
    Hallo Leo, du wusstest natürlich, wie sehr deine erste und einzige Buchstabenspende seit sechzehn Wochen meine Fantasiebeflügeln würde. Was hat Sprachpsychologe Leo Leike mit seiner Antwort wohl zum Ausdruck bringen wollen? Was mochte er damit bezwecken?
    a.) Wollte er mit dem kleinsten jemals schriftlich kundgetanen Lebenszeichen einen Platz in meinem persönlichen Buch seiner Rekorde erobern?
    b.) Fesselte ihn die Vorstellung, dass die c-Empfängerin mit ihrer Psychotherapeutin bestimmt eine Stunde lang über den Unterschied zwischen »c« mit Punkt, »c« mit Punkt und Klammer und »c« nackt, naturbelassen, wie Leike es schuf, sinnieren würde?
    c.) Wollte er sich auf perfektionistisch minimalistische Weise bei mir »zu Wort« melden, um sich (neuerlich) interessanter zu machen, als es der Situation angemessen erscheint?
    d.) Oder ging es ihm rein um den Inhalt? Wollte er damit sagen: Ja, ich lese Emmi, ich hebe mir Emmi sogar weiterhin auf, aber ich schreibe ihr definitiv nicht mehr? Und ich bin höflich genug, ihr das mitzuteilen. Ich setze ein Zeichen, ein verhungertes, aber ein Zeichen, das kleinstmögliche, aber immerhin – ein Zeichen. Ich sende ihr einen angeknabberten Hühnerzehen-Ring. War es das?
    In freudiger Erwartung eines weiteren Buchstaben, Emmi.
     
    Drei Stunden später
    AW:
    Gegenfrage,

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