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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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Stationsversäumnis-Training. Sei dir dessen bitte bewusst. Gute Nacht.
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Und verzeihe mir die Partnerlook-Ringelsocken. Das war wirklich gemein.
     
    Eine Minute später
    AW:
    Aber es hat dir Spaß gemacht.
     
    20 Sekunden später
    RE:
    Ja, riesig!
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Dann hat es schon seinen Zweck erfüllt. Schlaf gut, liebe Spötterin!
     
    20 Sekunden später
    RE:
    Du auch, du lieber Spott-Wegstecker! Was ich besonders an dir schätze: Du verstehst Spaß, auch wenn er gegen dich gerichtet ist.
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Weil ich dich gerne lachen sehe. Und nichts scheint dich mehr zu erfreuen als gegen mich gerichteter Spaß.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Du, Leo, ich mag übrigens Ringelsocken! Du siehst sicher süß darin aus. Noch unschuldiger als sonst. Gute Nacht!
     
    Am nächsten Tag
    Betreff: Meine Frage
    Liebe Emmi, meine heutige Frage lautet: »Wie geht es mit dir und Bernhard weiter?«
     
    Fünf Minuten später
    RE:
    Leo, nein! Muss das sein?
     
    Sieben Stunden später
    Betreff: Bernhard
    Also gut. Er fliegt mit mir zu Ostern ohne Kinder eine Woche auf die Kanarischen Inseln, nach La Gomera. Ich betone: ER fliegt mit mir, nicht ich mit ihm. Aber ich fliege wahrscheinlich mit. Ich werde es geschehen lassen. Ich finde es mutig von ihm. Er hat nichts zu erwarten und erwartet sich alles. Er glaubt an die Rückeroberung meiner Gefühle, an die Wiederkehr der großen Liebe, eingebettet in Sand, Salz, Sonnenöl und Steine. Na ja. Ich werde vielleicht den Segelschein machen.
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Heißt das, du gibst eurer Ehe noch eine Chance?
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Disziplin, lieber Leo! Nur eine Frage pro Tag!
     
    Zwei Minuten später
    AW:
    Gut, dann stelle ich sie dir morgen noch einmal. Und was ist mit deiner Frage?
     
    Vier Minuten später
    RE:
    Die hebe ich mir für das Hauptabendprogramm auf. Den heutigen »Tatort« habe ich schon einmal gesehen.
     
    Fünf Stunden später
    Betreff: Meine Frage
    Hier meine Frage: »Spürst du ihn noch?«
     
    Zwei Stunden später
    RE:
    Lieber Leo, jede Frage muss beantwortet werden!
     
    Zwei Stunden später
    RE:
    Feigling! Du hättest ruhig zugeben können, dass du nicht weißt, wer »er« ist, den du spüren solltest. Das wäre dann wenigstens eine stilvolle Umschreibung dafür gewesen, dass du ihn eben nicht mehr spürst. Denn würdest du ihn spüren, wüsstest du, wer »er« ist. Tröste dich: Ich habe auch nicht damit gerechnet. Es ist spät, ich gehe schlafen, gute Nacht. Noch sieben Mal aufstehen, dann sind wir durch. Emmi.
     
    20 Minuten später
    Betreff: Natürlich!
    Hallo Emmi, ich bin gerade erst nach Hause gekommen. Zu deiner Frage: »Ja, natürlich, ich spüre ihn noch.« Gute Nacht, Leo.
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Halt, Leo! Ich bin (plötzlich) hellwach und muss dir leider mitteilen: So kannst du dich nicht in den Schlaf stehlen, auch nicht zu dieser Stunde, das lasse ich nicht zu, das entspricht nicht dem Reglement! »Ja, natürlich, ich spüre ihn noch«, isteine Null-Ansage, keine Antwort, nicht einmal eine ausweichende. Du hast mir keinen Hinweis dafür geliefert, dass du weißt, wer er ist, den du spüren solltest. Wahrscheinlich bluffst du nur, um deine Ruhe zu haben. Aber, tut mir leid, mein Lieber: Du bist mir noch eine wirkliche Antwort schuldig!
     
    15 Minuten später
    AW:
    Ich habe ebenso kryptisch geantwortet, wie du gefragt hattest, liebe Emmi. Du hast »ihn« nicht beim Namen genannt, weil du mich auf die Probe stellen wolltest, ob ich denn noch wüsste, wer »er« sei. Ich habe »ihn« nicht beim Namen genannt, weil ich dich auf die Probe stellen wollte, ob du mir vertrauen würdest (hast du nicht!), dass ich wüsste, wovon ich spreche, woran ich denke und was ich spüre, wenn ich an dich denke. Zum Beispiel: »ihn«. Ja, immer noch. Manchmal stärker, manchmal schwächer. Manchmal muss ich ihn erst mit der Kuppe des Mittelfingers freilegen. Manchmal streichle ich ihn mit dem Daumen der anderen Hand. Meistens meldet er sich von selbst. Ich kann noch soviel Wasser darüber laufen lassen, er lässt sich nicht wegwaschen, er taucht immer wieder auf. Manchmal kitzelt er, dann schreibst du mir vermutlich gerade eine zynische E-Mail. Und manchmal tut er richtig weh, dann vermisse ich dich, Emmi, und wünschte, alles wäre anders gekommen. Aber ich will nicht undankbar sein. Ich habe »ihn«, deinen Berührungspunkt in der Mitte der Handinnenfläche. Darin sind alle

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