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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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Minuten später
    AW:
    Mich macht ja nur nervös, wie melodramatisch du diesen Abschieds-Countdown zelebrierst, liebe Emmi. Betreff: Noch vierzehn Nächte. Betreff: Noch dreizehn Nächte. Betreff: Noch zwölf Nächte. Das ist schmerzerfüllter Betrefffetischismus, hochgradiger Betroffenheitsmasochismus. Warum machst du das? Warum machst du es uns noch schwerer, als es sich selbst macht, dadurch, dass es ist, wie es ist?
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Würde ich es uns nicht schwerer machen, wäre es auch nichtleichter. Lass mich doch unsere letzten ansatzweise gemeinsamen Nächte zählen, lieber Leo. Das ist meine Art der Bewältigung. Viele sind es ohnehin nicht mehr. Und morgen früh ist es wieder eine weniger. Was so viel heißt wie: Gute zwölftletzte Nacht wünscht dir dein beharrlich widerspruchsgeistiges Tagebuch!
     

KAPITEL ELF

 
    Am nächsten Tag
    Betreff: Mein Vorschlag!
    Guten Morgen, liebe Emmi. Ich mache dir einen Vorschlag für die virtuelle Gestaltung der nächsten eineinhalb Wochen: Jeder von uns beiden darf dem anderen täglich je eine Frage stellen und ist dem anderen je eine Antwort auf dessen Frage schuldig. Einverstanden?
     
    20 Minuten später
    RE:
    Wann ist dir denn diese abstruse Idee gekommen, mein Bester?
     
    Drei Minuten später
    AW:
    War das schon deine Frage für heute, meine Beste?
     
    Fünf Minuten später
    RE:
    Moment, Leo, ich habe nicht gesagt, dass ich einverstanden bin. Du weißt, ich spiele gerne, sonst säße ich nicht seit zwei Jahren hier. Aber dieses Spiel ist noch unausgegoren. Wie halten wir es zum Beispiel, wenn sich nach deiner Antwort auf meine Frage eine Rückfrage ergibt?
     
    Eine Minute später
    AW:
    Dann kannst du diese am nächsten Tag stellen.
     
    50 Sekunden später
    RE:
    Das ist unfair! Du willst ja nur, dass die Zeit zwischen mir und »Pam« schneller vergeht, damit die Tage deiner letzten dialogischen Tagebuchaufzeichnungen endlich gezählt sind.
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Tut mir leid, Emmi. Aber so geht das Spiel nun einmal. Das weiß ich ganz genau, denn ich habe es erfunden. Fangen wir an?
     
    Eine Minute später
    RE:
    Moment. Darf man Fragen auch nicht beantworten?
     
    50 Sekunden später
    AW:
    Nein, nicht beantworten gilt nicht! Höchstens ausweichend beantworten.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Da bist du im Vorteil, das trainierst du schon seit fünfundzwanzig Monaten.
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Liebe Emmi, fangen wir jetzt an?
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Und was ist, wenn ich nein sage?
     
    Zwei Minuten später
    AW:
    Dann war das hier soeben gleichzeitig deine heutige Frage und deine heutige Antwort. Und wir lesen uns morgen wieder.
     
    Eine Minute später
    RE:
    Wärest du nicht Leo Leike, den ich mit eigenen Augen mit ganz anderen Augen an einem Kaffeehaustisch habe schmachten sehen, als er alles dafür gab, so charmant zu sein, dass er es mit meiner Wunschvorstellung von ihm hätte aufnehmen können, dann würde ich sagen: Du bist ein Sadist! Also frage mich. (Aber frage mich bitte nicht, was ich anhabe!) Emmi.
     
    Drei Stunden später
    Betreff: Erste Frage
    Ich warte noch immer auf deine Frage, mein Guter. Fällt dir nichts ein? Das war übrigens noch nicht meine Frage! Meine Frage lautet: »Lieber Leo, du hast im Zuge deiner jüngsten schriftlichen Komabesäufnis-Kundgebungen über dich und P... P... Pamela behauptet, ihr beide würdet gut zusammenpassen. Inwiefern? Ich bitte um eine nähere Erläuterung.«
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Meine Frage an dich, Emmi, lautet: »Würdest du es wieder tun?«
     
    15 Minuten später
    RE:
    Sehr schlau, Leo. Das »Es« darf ich mir also aussuchen, und wehe, ich erwische ein falsches, dann bleibt »es« ewig an mir hängen, obwohl du derjenige warst, der »es« unbedingt hinterfragen wollte. Wärest du nicht Leo, sondern irgendein anderer Mann, dann wäre wohl klar, dass »es« nur Sex bedeuten könnte. In unserem Fall: Mein »Besuch« bei dir, meine Enttäuschung, meine Verzweiflung, meine Zerstörungswut und, daraus resultierend – »es«. Hättest du dieses »Es« gemeint, dann wäre meine Antwort nein gewesen. Nein, ich würde es nicht mehr tun! Ich wünschte, ich hätte es nie getan.
    Da du aber Leo Leike bist, meinst du mit »es« natürlich nicht Sex, sondern etwas Anderes, Größeres, Erhabeneres, Hochwertigeres. Wenn mich nicht alles täuscht, müsste »es« unsere Schreibbeziehung sein. Du fragst: Würdest du es wieder tun? Würdest du mir wieder zurückschreiben? Würdest

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