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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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schmolle nicht. Ich fahre nach Hamburg. Und ich komme zurück. Und ich schreibe dir. Und ich werde keine Verlobung bekannt geben. Alles Liebe. Leo.
     

KAPITEL SECHZEHN

 
    Fünf Tage später
    Betreff: Abschied von Pamela
    Guten Morgen, liebe Emmi. Gruß von Top 15 ans Mittelmeer! Ich bin zurück. Ich bin wieder. Ich bin wieder ich. Ich sitze vor meinem Laptop auf der Terrasse. Hinter meinem Rücken – eine dieser erbärmlich kargen Männerwohnungen, die gerade von einer Frau verlassen wurden.
    Ich habe gestern mit ihr telefoniert. Sie ist gut angekommen, in Boston regnet es. Erstaunlich, wir können schon wieder miteinander reden, spröde zwar, mit trockenen Kehlen, mit Schluckbeschwerden, mit Würgegeräuschen, mit knirschenden Zähnen, aber wir können es. Erst vor einer Woche hatten wir das Kunststück vollbracht, uns gleichzeitig, ohne Vorankündigung und ohne Nennung von Gründen, stehenzulassen. Ich eröffnete: »Pamela, ich glaube, wir sollten.« Pamela vervollständigte: »Schluss machen, du hast Recht!«
    Wir sind uns nichts schuldig geblieben, sind gemeinsam gescheitert, rund, elegant, formvollendet, mit perfekten Haltungsnoten, »synchron«. Wir haben unsere Enttäuschungen vor uns ausgebreitet, auf einen Haufen geworfen und gerecht aufgeteilt. Jeder hat seine Hälfte genommen. So sind wir auseinandergegangen. Beim Abschied haben wir uns umarmt, geküsst und gegenseitig auf die Schulter geklopft. Dabei haben wir einander, ohne es auszusprechen, »herzliches Beileid« gewünscht. Jeder weinte, weil ihn die Tränen des anderen rührten. Es war wie eine Begräbnisszene, als hätten wir eine gemeinsame Angehörige verloren. Haben wir auch! Wir nannten sie nur unterschiedlich. Für Pamela hieß sie Vertrauen, für mich Illusion. (Fortsetzung folgt, ich schicke das weg und mache mir einen Kaffee. Bis gleich!)
     
    Zehn Sekunden später
    Betreff: Abwesenheitsnotiz
    ICH BIN DERZEIT AUF URLAUB UND WERDE MEINE E-MAILS ERST WIEDER AM 23. JULI ABRUFEN. FREUNDLICHE GRÜSSE, EMMI ROTHNER.
     
    30 Minuten später
    AW:
    Damit habe ich gerechnet, Emmi. Und das ist gut so! Ich weiß ja gar nicht, ob du dir das anhören willst. So erfahre ich es frühestens in eineinhalb Wochen. Na, dann werde ich einmal ungeniert weiter ausholen, meine Liebe:
    Pamela war die erste Frau, die mich nicht an dich erinnerte, die ich nicht an dir maß, die nichts von dir, meiner virtuellen Wunschvorstellung, hatte, und die mich dennoch anzog. Ich sah sie und wusste, dass ich mich in sie verlieben musste. Das war mein Trugschluss, meine Fehlentscheidung: das »Müssen«, der Plan, die Absicht, mein dringliches Bemühen. Ich war beseelt davon, sie zu lieben. Ich bin darin aufgegangen. Ich habe bis zuletzt alles dafür gemacht. Nur eines nicht: Ich habe nie hinterfragt, ob ich es auch tue.
    Es gab drei Phasen mit Pamela. Vier Monate in Boston: Das war meine beste Zeit mit ihr, das war MEINE Zeit mit ihr, keinen Tag davon möchte ich missen. Als ich vergangenen Sommer von Amerika nach Hause kam, warst du da, Emmi. Schon wieder, noch immer: DU! Meine Schränke voll sorgsam verstauter Gefühle. Wie naiv war ich zu glauben, dass sie von selbst verschwunden sein könnten. Du hast mich schnell daran erinnert, dass es kein Ende ohne Anfang gab. Wir trafen uns. Ich habe dich gesehen. DICH GESEHEN! Was sollte ich damals zu dir sagen? Was soll ich heute dazu sagen? Ich war in Phase zwei mit Pamela: eine Fernbeziehung, unterbrochen durch aufregende Entdeckungsreisen und Schübe gewaltiger Sehnsüchte nach der ganz normalen steten Zweisamkeit mit Brot- und Milcheinkäufen und Auswechseln von Staubsäcken.
    Wie vertrieb ich mir die Wartezeit auf meine Zukunft? Mit dir, Emmi. Wem habe ich inzwischen raumlos beigewohnt? Dir, Emmi. Mit wem habe ich in meinem geheimen Inneren gelebt? Mit dir, Emmi. Immer nur mit dir. Und meine schönsten Fantasien hatten nun auch noch ein Gesicht. Dein Gesicht. Und dann kam Pamela und blieb. Phase drei. Ich legte den Hauptschalter in meinem Kopf um: Emmi aus, Pamela an. – Ein brutales Unterfangen. Volle Konzentration auf die »Frau fürs Leben«, die Erwählte, die es zu lieben galt. Angewandte »Alles-Illusion«. Du hattest mir das Stichwort gegeben, ich glaubte, damit weiter zu kommen als Bernhard und du mit eurer »Vernunftehe«. Vielleicht wollte ich es dir auch nur beweisen. Ich war bemüht, alles zu tun, um Pamela glücklich zu machen. Sie fühlte sich anfangs geschmeichelt und geborgen. Mir selbst tat es gut, es war ein

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