Alle sieben Wellen
traurig, was du mir da schreibst und wie du es schreibst! Du tust mir so, so, so unheimlich leid! Ich würde dich jetzt so, so, so gerne umarmen und gar nie mehr loslassen. Du bist so, so, so ein Süßer! Und doch so, so, so unglaublich untalentiert in Liebesangelegenheiten. Du machst immer alles zur falschen Zeit, und wäre es an der Zeit, etwas zu machen, dann machst du es garantiert nicht oder nicht richtig. »Pam« und du – das konnte nichts werden. Ich wusste es, als ich sie sah. Gemeinsam Golf spielen, ja, okay, Bostoner Verwandte besuchen, zu Weihnachten Truthahn essen, eventuell ab und zu Sex (wenn es unbedingt sein muss), das verstehe ich schon. Aber doch nicht zusammenleben!
So, und jetzt muss ich mich rasch beruhigen. Draußen wartet Fiona. Sie will mit mir in die Shoppingmeile unseres ansässigen Fischerdorfes vordringen. – Das nächste tragische Kapitel bahnt sich an. Bis bald, mein Lieber. Emmi.
Zwei Tage später
Betreff: Drittens
3.) Und wie geht jetzt alles weiter? – Keine Ahnung, liebe Emmi. Ich bin erst bei der Stichwortsammlung für mein folgendes Halbjahresprogramm. Wenn du einen guten Tipp für mich hast, lass ihn mir bitte zukommen. Vielleicht werde ich den Rest des Sommers in Hamburg bei meiner Schwester verbringen und an der Nordsee auf eine bahnbrechende siebente Welle warten. Jedenfalls gibt es keinen Grund für dich, traurig zu sein oder dir Sorgen um mich zu machen. Ich fühle mich zwar ein wenig ausgehöhlt, aber erfreulich echt. Ich sehe wenig, aber was ich sehe, sehe ich klar. Zum Beispiel dich – im kroatischen Gruftcafé und am Strand, im grünen Bikini. (Enttäusche mich nicht und behaupte, er sei blau!)
Wenn ich richtig gezählt habe, bleiben dir und deiner Familie noch fünf Urlaubstage. Ich würde mir wünschen, dass du sieungestört genießen kannst. Ich werde meinen Teil dazu beitragen, werde mich in meine Stöße liegen gebliebener Seminararbeiten verkriechen und dir erst wieder schreiben, wenn du zurück bist. Danke jedenfalls für – dein Ohr, dein Auge, für deinen Berührungspunkt. Für dich! Du bist mir wahnsinnig wichtig. So, so, so sehr! Leo.
Drei Stunden später
RE:
Ja, doch, Leo, ich habe einen heißen Tipp für dich. Würdest du ihn bitte in deine Stichwortsammlung aufnehmen? – Donnerstag in einer Woche, 19.30 Uhr, Restaurant »Impressione«, zwei Personen, reserviert auf Emmi Rothner. Ich freue mich! Und wie ausgehöhlt auch immer: Lasse es bitte zu diesem Treffen kommen! Bitte, bitte, bitte! Gruftbussi, Emmi.
PS: Knapp daneben. Es war der braunweiße Bikini. Den grünen ziehe ich heute an. Damit du auch wirklich klar siehst, wenn du mich siehst!
Drei Tage später
Betreff: Impressione
Hallo Leo, du hast noch nicht ja gesagt zu Donnerstag. Ich will dich nicht drängen, ich will nur wissen, wofür ich mich hier täglich eine Stunde in die Sonne knalle, umringt von Liegestuhlmenschen, die ich für diese stumpfe, Hirn verflüssigende Untätigkeit noch bis vor einer Woche aus tiefstem Herzen bedauert hatte. Alles Liebe, Emmi.
PS: Grüße von Jonas »Spiderman« Rothner! Er hat mit mir gewettet, dass du ein passionierter Drachenflieger und Windsurfer bist. Ich dagegen tippe eher auf Strandpromenierer, Muschelsucher und Steinsammler.
Einen Tag später
Betreff: Geständnis
Liebe Emmi, ich wollte dich damit zwar nicht in deinem Urlaubbelästigen, aber ich gestehe, dass ich Angst vor unserem Treffen habe.
Vier Stunden später
RE:
Ach, Leo, das brauchst du nicht. Es ist unser sechstes Treffen. Gefährlich wird erst das siebente.
Außerdem – und hiermit modifiziere ich meine persönliche Tabelle der erotischsten Männer des Universums: Autorenn-Männer, Ferienmessen-Männer, Sandalen-Männer, Bierzelt-Männer, beleidigte Männer und – ängstliche Männer. Bis bald, Emmi.
Drei Minuten später
AW:
Liebe Emmi, was erwartest du dir von unserem »italienischen Abend«? Ich weiß, die Frage wird dir bekannt vorkommen, aber für mich drängt sie sich vor jedem anstehenden Treffen auf, diesmal ganz besonders.
Zwei Minuten später
RE:
1.) Antipasti di pesce
2.) Linguine al limone
3.) Panna Cotta
4.) Dazu, davor, dazwischen, danach, währenddessen und zum Wein dazu: Leo!
5.) Mir ständig gegenüber, akustisch präsent, stimmlich im Ohr, optisch im Auge, zum Greifen nah, quasi Kniescheibe an Kniescheibe: Leo!
(Wenn du versprichst, dass du, entgegen deinen Gepflogenheiten, nicht lange nachdenkst und sofort
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