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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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abgegeben, und das war auch gut so.)
    4.) Gratuliere, Leo, du hast dir kaum anmerken lassen, wie schwer es dir fiel, dich mit deinen glasklar gebirgsflussfarbig umrundeten Pupillen in meinen Augen einzuparken und dabei dein unverfängliches, zurückhaltend freundliches Ich-nehme-die-Emmis-wie-sie-kommen-Lächeln aufrechtzuerhalten.
    5.) Leo, du wärest bei einem Ranking der hundert sympathischsten Blind-Dater, mit denen sich der Durchschnitt aller Emmis zwischen zwanzig und sechzig auch vorbehaltlos ein zweites Mal – mindestens zum Pferdestehlen – treffen würde, garantiert unter die Top Five gekommen. (Punkteabzüge gibt es einzig für deinen in seiner perfektionistischen Flüchtigkeit etwas überhasteten Wangenkuss, daran solltest du tatsächlich noch feilen.)
    6.) Aber leider, leider, leider! Ich bin nicht der Durchschnitt der Emmis, sondern nur diese eine, die dich tatsächlich »persönlich« gekannt zu haben glaubte und die dich auch schon an Tagen (und Nächten!) der offenen Gefühlsschränke erlebt haben wollte. (Zufällig waren da zumeist auch deine Weinschränke offen.)
    7.) Nein, lieber Leo, du warst mir nicht fremd, du hast mir gar nicht die Chance gegeben, dich als Fremden zu betrachten. Du warst nämlich, abgesehen von deiner äußeren Hülle, gar nicht anwesend, du hast dich vor mir in aller Öffentlichkeit versteckt.
    8.) Unser Treffen in sieben Worten: Ich war scheu und du warst verschlossen. Ernüchternd? Tja, wenn ich ehrlich bin, schon ein wenig. Die zwei Jahre davor – inklusive dem Dreivierteljahr deiner inneren Emmi-Gration nach Boston – waren da schon um einiges gehaltvoller. Wangenkuss. Ich packe jetzt meine Melancholie aus und gehe damit unter die Dusche.
     
    Vier Stunden später
    Betreff: Ach ja
    Schicke Jacke übrigens. Blau steht dir gut. Ach, und angenehme London-Reise! (Musst nicht mehr zurückschreiben.)
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Darf ich dich etwas »Persönliches« fragen, Emmi?
     
    50 Sekunden später
    RE:
    Na, das kann eine Frage werden!
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Bist du noch mit Bernhard zusammen?
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Schon. Doch. Klar. Sicher. Warum fragst du?
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Ach, nur aus »persönlichem« Interesse.
     
    20 Sekunden später
    RE:
    An mir?
     
    30 Sekunden später
    AW:
    An deinen Lebensumständen.
     
    50 Sekunden später
    RE:
    Soso. Darf ich dich auch was »Persönliches« fragen, Leo?
     
    20 Sekunden später
    AW:
    Du darfst.
     
    20 Sekunden später
    RE:
    Bedauerst du, dass du mich gesehen hast?
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Darf ich dich dazu etwas sehr »Persönliches« fragen, Emmi?
     
    20 Sekunden später
    RE:
    Du darfst.
     
    30 Sekunden später
    AW:
    Kann man das bedauern?
     
    40 Sekunden später
    RE:
    Soll ich dir ehrlich und »sehr persönlich« darauf antworten?
     
    20 Sekunden später
    AW:
    Du sollst.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Ich dachte immer: Nein, das kann man nicht bedauern. Aber dir hätte ich es zugetraut. Gute Nacht, mein lieber Schreiber.
     
    20 Sekunden später
    AW:
    Seit ich dich gesehen habe, bewundere ich dich noch zehnmal mehr dafür, wie selbstsicher du deine Unsicherheit ironisieren kannst. Gute Nacht, meine liebe Schreiberin.
     
    40 Sekunden später
    RE:
    Schön, der virtuelle Leo gewinnt langsam wieder die Oberhand. Solltest du irgendwann einmal deinen Gefühlsschrank lüften: Denke an die selbstsicher ihre Unsicherheit ironisierende Emmi.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Kommt »Pam« eigentlich mit nach London?
     
    40 Sekunden später
    AW:
    Sie ist schon dort.
     
    30 Sekunden später
    RE:
    Oh, wie praktisch. Na dann, gute Landung, gute Nacht!
     
    20 Sekunden später
    AW:
    Gute Nacht, Emmi.

     

KAPITEL VIER

 
    Vier Wochen später
    Betreff: Hallo Emmi!
    Hallo Emmi, bist du gestern Nacht zufällig mit der Propellermaschine bei Top 15 vorbeigeflogen und hast Fotos gemacht? Oder war’s doch nur ein Gewitter? Jedenfalls hab ich an dich gedacht und konnte nicht mehr einschlafen. Wie geht es dir? Alles Liebe. Leo.
     
    Fünf Stunden später
    RE:
    Hallo Leo, welche Überraschung! Ich hätte nicht gedacht, dass du dich nach sattsam verdauter »Begegnung« und einem Monat Stillschweigen doch noch einmal aufraffst, mir eine E-Mail zu schreiben. Wem schreibst du sie eigentlich? Und an wen denkst du da, wenn du an mich denkst (weil dich Blitz und Donner charmanterweise an mich erinnert haben)? Denkst du an deine gesichts- und körperlose »Wunschvorstellung« von früher, an deinen

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