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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Glattauer
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»höchsten Liebesbegriff«, an deine »Illusion des Vollkommenen«? Oder denkst du an die Schüchterne mit dem Schleierblick im Messecafé? (Wenn du innerhalb der nächsten vier Wochen antwortest, dann gehe ich noch einen Schritt weiter und frage dich, WAS konkret du denkst, wenn du an eine von uns beiden denkst.) Alles Liebe. Emmi.
     
    30 Minuten später
    AW:
    Ich denke an diejenige Emmi, die sich mit Fingerspitzen, die so zart sind, als würden sie ihr davonfließen, alle halben Minuten imaginäre Haarsträhnen aus den Augen hinters Ohr streicht, als wollte sie auf diese Weise ihren Blick vom Schleier befreien, um die Dinge endlich auch einmal so scharf und klar zu sehen, wie sie sie längst schon beschreiben kann. Und ich frage mich wieder und immer wieder, ob diese Frau wohl glücklich ist in ihrem Leben.
     
    Zehn Minuten später
    RE:
    Lieber Leo, jeden Tag so eine E-Mail, und ich wäre die glücklichste Frau der Welt.
     
    Drei Minuten später
    AW:
    Danke, Emmi. Aber leider setzt sich Glück nicht aus E-Mails zusammen.
     
    Eine Minute später
    RE:
    Sondern? Woraus setzt sich Glück zusammen? Sag es mir, ich würde es zu gerne wissen!!!
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Aus Geborgenheiten, Vertrautheiten, Gemeinsamkeiten, Zuwendungen, Erlebnissen, Eingebungen, Ideen, Vorstellungen, Herausforderungen, Zielen. Und die Liste ist garantiert unvollständig.
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Huuuch, das klingt nach purem Stress, nach modernem Zehnkampf, nach Sportwochen des Glücks mit einer Leistungsschau der ihm zugrunde liegenden Tugenden und Funktionen. Da lieber täglich eine E-Mail von Leo mit einer kleinen imaginären Haarsträhne. Verbringe einen schönen Abend! Fein, dass du mich noch nicht vergessen hast. Wangenkuss. Emmi.
     
    Am nächsten Tag
    Betreff: Frage
    Lieber Leo, du weißt, was ich dich jetzt frage!
     
    20 Minuten später
    AW:
    So entschlossen, wie du das Ausrufezeichen setzt, habe ich einen Verdacht.
     
    Eine Minute später
    RE:
    Also, Leo, was will ich dich fragen?
     
    Drei Minuten später
    AW:
    »Wie war es in London?«
     
    Eine Minute später
    RE:
    Ach, Leo, so würdest du es vielleicht formulieren. Du weißt doch, ich nenne die Dinge gerne beim Namen. – Also: Was ist mit »Pam«?
     
    50 Sekunden später
    AW:
    »Pam« trägt erstens keine Anführungszeichen. Pam heißt zweitens Pamela. Und Pamela ist drittens kein Ding!
     
    Zwei Minuten später
    RE:
    Liebst du sie?
     
    Drei Stunden später
    Kein Betreff
    Da musst du aber lange nachdenken.
     
    Zehn Minuten später
    AW:
    Emmi, es ist vielleicht noch zu früh, davon zu sprechen beziehungsweise darüber zu reden.
     
    Drei Minuten später
    RE:
    Sehr geschickt formuliert, lieber Leo. Jetzt kann ich es mir aussuchen. Meint Leo: Es ist zu früh, um von Liebe zu sprechen? Oder meint er: Es ist zu früh, um mit Emmi über »Pam«, Verzeihung: Pamela zu reden?
     
    Fünf Minuten später
    AW:
    Das zweite mit Sicherheit, liebe Emmi. An deinem raschen »Pam«-Rückfall erkennt man, dass du offenbar noch nicht soweit bist, um mit mir darüber zu reden. Du magst sie nämlich nicht. Du hast das Gefühl, sie nimmt dir deinen E-Mail-Partner weg. Stimmt’s?
     
    Fünf Stunden später
    Kein Betreff
    Jetzt musst DU aber lange nachdenken, wie du diesen Verdacht entkräftest, meine Liebe.
     
    15 Minuten später
    RE:
    Okay, du hast Recht. Ich mag sie nicht, weil ich sie erstens nicht kenne und es mir deshalb leichter fällt, weil ich mich zweitens anstrenge, sie mir so ekelhaft wie nur möglich vorzustellen, weil mir das drittens gelingt, und viertens: Ja, weil sie mir dich wegnimmt, den Rest von dir, den Schreibrest, das bisschen Hoffnung. Hoffnung auf, auf, auf keine Ahnung worauf, einfach nur Hoffnung. Aber ich verspreche: Wenn du sie liebst, dann werde ich sie mögen lernen. Darf ich bis dahinnoch ein paarmal »Pam« sagen? Ich weiß nicht warum, aber es tut mir gut. Und was mir noch guttut, mein Lieber: Wenn du »meine Liebe« schreibst. Ich nehme es nämlich wörtlich. Ja, auch das gelingt mir, manchmal. Schlaf gut.
     
    Drei Minuten später
    AW:
    Du auch, meine Liebe.
     
    Zwei Tage später
    Betreff: Ich schreib dir jetzt
    Emmmmmmmmmmi, ich bin betrunken. Und ich bin einsam. Schwerer Fehler. Nie beides sein. Entweder einsam oder betrunken, aber nie beides gleichzeitig. Schwerer Fehler. »Liebst du sie?«, hast du gefragt. Ja, ich liebe sie, wenn sie bei mir ist. Oder sagen wir es anders: Ich würde sie lieben, wäre sie bei mir. Aber sie ist nicht

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